5 Wege aus der Depression

Entstehung der Depression

In einem früheren Psychotherapie-Blog habe ich bereits Ursula Nubers* Ansatz zur Erklärung der weiblichen Depression vorgestellt. Sie schildert darin, dass Frauen

– sich viel zu häufig von anderen sagen lassen, was sie tun sollen,

– sich bemühen, die Wünsche und Bedürfnisse wichtiger Menschen zu erfüllen,

– sich von anderen bei der Frage nach Richtig und Falsch verwirren lassen,

– ohne Prüfung Zumutungen und Anforderungen akzeptieren,

– oft nicht den Mut haben, sich zu wehren, Ärger zu äußern oder Ängste zu zeigen,

– ihr wahres Ich aufgeben und nicht zeigen, was sie wirklich denken und fühlen.

 

Überwindung der Depression

Es gibt aber auch einen Weg zur Bewältigung der Depression. Ursula Nuber beschreibt fünf verschiedene Strategien:

  1. Den Sinn der Depression erkennen

    Nuber ist der Ansicht, dass depressiv erkrankte Frauen eine Aufgabe zu lösen haben: Du musst herausbekommen, welcher Sinn für dich in dieser Situation enthalten ist. Was sollst du tun, wenn du diese Diagnose bekommen hast? Nach Nuber solltest du die Depression auf keinen Fall ausschließlich als Störung und als Behinderung betrachten, die dir das Leben verdunkelt. Wenn du die Depression verteufelst und zu viel Respekt davor hast, vergibst du eine große Chance, die mit der depressiven Erkrankung verbunden ist. Dann gelingt es dir nicht, die Botschaft der Depression zu entschlüsseln und sie für eine grundlegende Veränderung zum Positiven zu nutzen.

    Es geht also um Verständnis, Antworten und die Sinn-Frage. Möglicherweise ist nämlich die Depression die einzig vernünftige Reaktion auf ungesunde Lebenssituationen.

    Die Depression stellt sicher, dass du nicht weiter unnütz deine Energie in falsche Projekte oder Menschen investierst. Somit macht es Sinn, wenn deine Aktivität blockiert und ausgebremst wird. Und somit kannst du die nötige Depressionsarbeit leisten, nämlich den bis dahin unbewussten Ursachen der Erkrankung auf die Spur kommen.

    Die Erkrankung ist somit eine Chance zum Innehalten und Nachdenken. Sie ist eine Möglichkeit, wichtige und vernachlässigte Aspekte deiner Persönlichkeit und deines Lebens (wieder) zu entdecken. Das braucht Mut: den Mut, dich der Wahrheit zu stellen und dir Klarheit darüber zu verschaffen, wodurch dein Leben aus der Kurve geflogen ist. Was zunächst wie eine Katastrophe aussieht kann sich damit letzten Endes als etwas Gutes herausstellen. Der Absturz und die Desillusionierung bilden die Grundlage für die beginnende Gesundung.

  2. Selbst aktiv werden

    Ein Schritt auf dem Weg zur Überwindung der Depression ist das Bilden von Hypothesen und die Suche nach Ursachen: Ist die Depression körperlich oder seelisch bedingt? Was hat dich in diese Situation gebracht?

    In dieser Phase lernst du viel Neues über dich. Du bekommst eine Ahnung, was dir gut tut und was nicht und wo die Weichen anders zu stellen sind. Du beginnst, mit dir und anderen zu experimentieren. Und du merkst, wo du anderen ein falsches Bild von dir vermittelst: „Du bist so eine toughe Frau!“, oder: „Du siehst immer aus wie das blühende Leben!“. Du bist nicht (nur) so, wie du dich gibst. Du hast auch noch ganz andere Seiten.

    In der Experimentierphase achtest du nicht nur darauf, wann du dich besonders traurig und alleine fühlst. Du beobachtest auch genau, wer und was dir hilft, damit du dich weniger depressiv fühlst – z.B. wenn du walken gehst, ein aufbauendes Buch liest oder mit einer Freundin telefonierst. Du erkennst, dass du kein passives Opfer der Depression bist, sondern durchaus positiven Einfluss nehmen kannst.

    Mittlerweile belegen zahlreiche Studien die Wichtigkeit von Sport, um Niedergeschlagenheit und damit verbundene Selbstzweifel und Gefühle der Sinnlosigkeit zu vertreiben. Dies wird u.a. so erklärt, dass du dir alleine durch das Aufraffen und Loslaufen beweist, dass du Kontrolle über dein Leben hast. Und du ahnst, dass du diese Erfahrung auch auf andere Lebensbereiche übertragen kannst. Solche Erfolgserlebnisse stärken dein Selbstvertrauen und erhöhen das Selbstwertgefühl durch das Erfahren von Selbstwirksamkeit. So können einfache Handlungen einen therapeutischen Wert haben. Wenn du ganz alleine aktiv wirst, hast du ganz allein deine Schwere überwunden und für Besserung gesorgt.

    Nuber schreibt: „Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, selbst aktiv zu werden. Da depressive Frauen häufig Schwierigkeiten haben, sich mit Worten selbst zu verteidigen, kann zum Beispiel auch ein Kurs in Selbstverteidigung sinnvoll sein. Eine Frau lernt dabei nicht nur, sich körperlich zu wehren, viel wichtiger ist, dass dadurch ihr Selbstwertgefühl gestärkt wird.“

    Es ist also wichtig, dass du dich selbst als aktiv Handelnde erfolgreich erfahren kannst. Gleichzeitig ist nicht alles machbar und der Selbsthilfeaspekt darf auch nicht überbewertet werden. Depression ist eben doch mehr als „ein bisschen traurig sein“ – d.h. es ist sehr wohl möglich, etwas dagegen zu tun, aber das darf nicht in ein fatales „Alles ist möglich ausarten“, das schnell zu Misserfolg und Frustration führen würde. Wichtig ist, selbst auszuprobieren, was dir gut tut und wie du wieder mehr Kontrolle über die Situation bekommst.

    Gleichzeitig gibt es einen Punkt, an dem dir klar wird, dass du mit dem Ganzen überfordert bist und Unterstützung brauchst.

  1. Hilfe annehmen

    Der Entschluss, dir in einer schweren Phase Unterstützung zu suchen, kann unendlich erleichternd sein. Es geht darum, Schamgefühle zu überwinden und dich einer anderen Person anzuvertrauen. Eine große Rolle spielen in diesem Zusammenhang Freundschaften und Psychotherapie.

    Die Rolle der Freundschaft

    Freundschaften können eine hilfreiche Strategie gegen die Depression und auch ein Schutz vor ihr sein. Es ist ohnehin eine Anti-Stress-Strategie, sich in schwierigen Zeiten mit anderen zu verbünden und gemeinsam den Stürmen zu trotzen. Gerade Frauen können sich gegenseitig viel Kraft und emotionale Unterstützung geben. Sie spüren in Freundschaften Nähe, Wärme, Geborgenheit und Sicherheit. Und sie helfen sich bei der Entwicklung und Erprobung alternativer Denk- und Verhaltensweisen. Im geschützten Rahmen einer Freundschaft können sie einerseits sie selbst sein und andererseits neue Beziehungsmuster ausprobieren wie z.B. Grenzen zu setzen und Nein zu sagen.

    Die Rolle der Psychotherapie

    Darüber hinaus kann eine rechtzeitige Psychotherapie psychisch erkrankten Menschen nachhaltig helfen. Das Risiko einer weiteren depressiven Episode wird dadurch deutlich gesenkt. Eine passende Therapeutin oder ein passender Therapeut kann daher ein wichtiger Begleiter bei der Depressionsarbeit sein. Nuber schreibt: „Professionelle Boten sind hilfreich, wenn eine depressive Frau (…) erkennen will, wodurch sie in diese schwierige Situation geraten ist. Sie geben der betroffenen Frau die Resonanz, die ihr in ihrem Leben fehlt und helfen ihr, sich mit ihren eigenen Gefühlen vertraut zu machen und sich mit ihnen zu versöhnen.“ Dabei ist das Gefühl des Verstanden- und Akzeptiert-Werdens tatsächlich wichtiger als die Form der Therapie. Ausschlaggebend für den Erfolg einer Therapie ist nicht die Methode, sondern eine gute und vertrauensvolle Therapeuten-Klienten-Beziehung.

  1. Selbstmitgefühl üben

    Marilyn Monroe schrieb 1958: „Ab morgen will ich besser für mich sorgen, denn mehr habe ich ja nicht und habe ich, scheint mir, nie gehabt.“ Vier Jahre später starb sie an einer Überdosis Medikamente. Es ist ein typisches Kennzeichen depressiver Menschen, dass sie nicht gut für sich selbst sorgen können, während sie anderen gegenüber geduldig, hilfsbereit, nachsichtig und mitfühlend sind. Niemanden würden sie so schlecht behandeln wie sich selbst.

    Doch es ist wichtig, Selbstmitgefühl zu üben statt Aufopferung zu praktizieren und den inneren Kritiker zu füttern. Nach dem Ansatz von Kristin Neff besteht Selbstmitgefühl aus drei Komponenten:

    Selbstfreundlichkeit

    Habe Verständnis und sei Freundin für dich selbst,

    Verbundenheitsgefühl mit anderen

    Geh nicht davon aus, dass es dir gerade grottig geht und alle anderen

    Glückskinder sind. Wisse, dass Niederlagen und Scheitern zum Leben

    dazugehören. Stelle deine momentane Situation in einen größeren

    Zusammenhang und

    Achtsamkeit

    Achtsamkeit dem eigenen Erleben gegenüber hilft dir, 1. zu spüren, wie es

    dir wirklich geht und 2. Selbstmitgefühl zu entwickeln.

    Nuber schreibt: „Menschen mit ausgeprägtem Selbstmitgefühl leiden seltener unter Depressionen und Ängsten, erholen sich von Schicksalsschlägen besser und sind optimistischer als Personen, die sich selbst eher kritisch begegnen. (…) Menschen mit der Fähigkeit zu Selbstmitgefühl zeigen auch eine höhere Selbstwirksamkeit, das heißt, sie haben großes Vertrauen in ihre Fähigkeit, Dinge zum Positiven beeinflussen zu können.“

    Wenn dir die Veränderung weg von der Selbstaufopferung hin zu mehr Selbstfürsorge gelingt, dann hast du nach Nuber „den wichtigsten Weg aus der Depression eingeschlagen (…).“

  1. Nett war gestern

Depressionsgefährdet sind vor allem Menschen, die immer nett, gut und     perfekt sein wollen und Hemmungen haben, sich aggressiv, entschlossen, stark oder wütend zu zeigen. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass diese Anpassung mit Nähe belohnt wird.

Ärger ist jedoch weder positiv noch negativ, sondern macht auf ein Ungleichgewicht aufmerksam. Nuber: „Ärger hat wichtige Funktionen: Er signalisiert einer Frau, dass wichtige Bedürfnisse und Wünsche zu kurz kommen. Er macht darauf aufmerksam, dass es einen Konflikt gibt, der gelöst werden muss. Er ermutigt sie, sich zu verteidigen, eine Grenze zu ziehen, Nein zu sagen. Er motiviert sie zu Veränderungen.“

Folglich gehört es zum Kampf gegen die Depression, den beiden größten Depressionsquellen im Leben zu begegnen: dem Stress und den unerfüllten Bindungswünschen.

Stress

Lerne, dich wichtiger zu nehmen als bisher. Du kannst den Stress in deinem Leben nur dann angemessen bewältigen, wenn du dich selbst an die erste Stelle stellst. Der Spruch „Wenn ich nicht für mich bin, wer ist es dann?“ sollte zu deinem Mantra werden.

Unerfüllte Bindungswünsche

Gib deine Rolle als nettes Mädchen auf, wenn du die Depression loswerden willst. Lerne, auf konstruktive Weise fordernder zu werden. Dann wirst du allmählich merken, dass du gesehen und ernst genommen und weniger ausgenutzt wirst.

Fazit

Findest du diesen Ansatz im Großen und Ganzen stimmig? Berühren diese Ausführungen Punkte in dir, die du immer wieder gedacht und dann weggeschoben hast? Findest du das alles im Prinzip richtig, stehst aber wie der Ochs vorm Berg und kannst den ersten Schritt nicht sehen? Wünschst du dir ein Gegenüber, dass dich gleichermaßen unterstützt, herausfordert und spiegelt? Dann nimm gerne Kontakt zu mir auf und wir schauen gemeinsam, ob es passt.

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*Ursula Nuber: Wer bin ich ohne dich? Warum Frauen depressiv werden und wie sie zu sich selbst finden. Frankfurt a. M. 2012

Foto: Pixabay

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