Romantherapie

Heute stelle ich ein Buch vor, dessen Verbindung zu einer Praxis für Psychotherapie sich quasi von selbst erschließt und das ich sehr schätze:

 

Die Romantherapie. 253 Bücher für ein besseres Leben.

Ella Berthoud & Susan Elderkin mit Traudl Bünger

Berlin 2013

 

Aus dem Klappentext:

Bücher auf Rezept: Fallada für die Hoffnungslosen, Tolstoi bei Zahnweh (und, ja, natürlich auch bei Ehebruch) und Schiffbruch mit Tiger in ausweglosen Situationen – die Romantherapie kennt für jede Lebenslage das richtige Buch. Ob Sie an Kaufsucht oder Liebesmangel leiden, ihre Nase hassen, zu wenig Sex haben oder einfach hoffnungslos eitel sind, bei alldem hilft nur eins: der richtige Roman.“

Mit der ausschließlichen Formulierung bin ich zwar nicht einverstanden, aber Lesen hilft, ohne Frage. Und es gibt zweifellos Bücher – wie auch Songs – die mich durch ganze Lebensphasen begleitet und oftmals auch gehalten und gerettet haben, oh ja.

 

Die Autorinnen

Die Autorinnen Ella Berthoud und Susan Elderkin sollen sich schon beim Literaturstudium in Cambridge gegenseitig Romane empfohlen haben. Berthoud widmete sich anschließend der Kunst, Elderkin dem Schreiben. Seit gut zehn Jahren bieten sie an der Londoner School of Life Bibliotherapie-Sitzungen an und empfehlen Romane als Lebenshilfe. Traudl Bünger ist als Programmredakteurin, Literaturkritikerin und Autorin tätig.

 

Was ist Bibliotherapie?

Berthoud und Elderkin definieren Bibliotherapie als den therapeutischen „Einsatz von Literatur zur Behandlung aller Leiden, die das Leben so mit sich bringt.“ Sie weisen darauf hin, dass es Bibliotherapie mittels Ratgeber- und Selbsthilfeliteratur schon seit Jahrzehnten gibt. „Doch Literaturliebhaber greifen schon seit Jahrhunderten – bewusst oder unbewusst – zur Linderung aller möglicher Leiden zu Romanen.“ Die Autorinnen glauben fest an die „Heilkraft der Literatur als die reinste und wirkungsvollste Form der Bibliotherapie“ und gründen diesen Glauben auf eigene Erfahrungen und die vieler anderer sowie einer Vielzahl anekdotischer Beweise. „Manchmal ist es die Geschichte selbst, manchmal der Rhythmus der Sprache, die uns Leser verzaubern und dabei ihre Wirkung auf unsere Seelen entfalten, sei sie nun beruhigend oder stimulierend. Manchmal ist es eine Idee oder die Einstellung einer der Figuren, die sich in einer ähnlichen Situation befinden wie wir selbst. Egal was es ist – Bücher haben die Macht, uns in eine andere Welt zu entführen und uns einen anderen Blickwinkel zu eröffnen. (…) Woran auch immer Sie leiden, unsere Kuren sind simpel: Ein Roman (oder zwei) regelmäßig gelesen. Einige Therapien werden vollständige Heilung bringen, andere zumindest Trost spenden und Ihnen zeigen, dass Sie nicht allein sind. Doch alle werden Ihnen für eine Weile Linderung verschaffen, dank der Macht der Literatur, uns von unseren Problemen abzulenken und in eine andere Welt zu entführen. In manchen Fällen ist es am effektivsten, die Medizin als Hörbuch einzunehmen oder gemeinsam mit einem Freund laut zu lesen.“

Berthoud und Elderkin bezeichnen ihre Hinweise als belletristische Pflästerchen und Umschläge und sind davon überzeugt, dass sie ihre Leserinnen und Leser „gesünder und klüger machen – und zu einem besseren Freund. Ein Leben ohne Bücher ist ein Leben ohne die bereichernden Erfahrungen all jener, die diesen Weg vor uns beschritten haben.“ Und sie zitieren D.H.Lawrence: „In Büchern stößt man seine Krankheiten ab – wiederholt Gemütsbewegungen, sie aufs neue darstellend, um sie zu meistern.“

 

Das Buch

Ihr Buch bezeichnen die beiden Autorinnen als „ein medizinisches Handbuch der etwas anderen Art“. Es unterscheidet nämlich nicht zwischen körperlichen und seelischen Schmerzen, sondern soll bei einem gebrochenen Herzen ebenso Hilfe bieten wie bei einem angestoßenen Zeh. Zudem behandelt es eine Vielzahl von allgemeinen Lebenslagen und Leiden von A bis Z. Von Abschieden über Geburtstagsblues, Lustlosigkeit oder Midlife-Crisis bis hin zu Zurückweisung. „Es stellt sich aber auch den größeren Herausforderungen des Lebens wie dem Verlust eines geliebten Menschen oder dem Umstand, plötzlich alleinerziehend zu sein. Ob Schluckauf oder Montagmorgen-Gefühl, Bindungsangst oder fehlender Sinn für Humor – auch hierbei schafft es Abhilfe.“

Berthoud und Elderkin haben die Literatur der letzten 2000 Jahre „nach den brillantesten Köpfen und den heilsamsten Lektüren durchforstet“ und dabei viele wertvolle „Elixiere“ gefunden. Neben den alphabetisch geordneten Lebenslagen und Leiden gibt es ein Verzeichnis der Leseleiden (von „Amnesie, lektürebezogene“ bis „Zeit zum Lesen, keine haben“) und verschiedene Verzeichnisse der „Zehn besten Romane“, z.B. eine Liste der jeweils zehn besten Bücher für jedes Lebensjahrzehnt.

Beispiele: eine Liste der zehn besten Bücher

– die einen zum Lachen bringen,

– für aggressive Autofahrerinnen und -fahrer,

– bei Erkältung,

– für alle, die sehr traurig sind,

– für die Hängematte,

– für eine Zugfahrt,

– gegen Fernweh,

– zum Heulen,

– zur Aufheiterung,

– um den Blutdruck zu senken

und noch etliche andere.

 

Das Buch ist eine wahre Roman-Fundgrube und eignet sich auch hervorragend als Ratgeber, wenn du gerade ein passendes Buchgeschenk für jemanden suchst. Es ist klug, sachkundig, humorvoll, frech, empathisch, liebevoll, warmherzig, facettenreich und vieles mehr. Sicherlich keins, das man mal eben in ein paar Tagen von vorne bis hinten durchliest, sondern eher ein Lebensbegleiter zum immer mal wieder in die Hand nehmen bei akutem Bedarf oder einfach nur Herumschmökern. Ich habe es durch Empfehlung in einem andern Buch gefunden und es mir – wie fast immer – zunächst aus der Bücherhalle ausgeliehen. Um es mir dann – wie keineswegs fast immer – zu kaufen und immer wieder zu konsultieren, für mich, für andere oder absichtslos wie in einem hübschen Buchladen.

 

Wärmstens zu empfehlen!

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