Selbstversuch 1: Dynamische Entspannung

Kürzlich habe ich hier im Psychotherapie-Blog das folgende Buch vorgestellt:

 

Peter Bergholz: Dynamische Entspannung. Innere Ruhe und Stärke durch die Kraft der Bewegung

München 2012

 

Darin geht es um die gezielte Harmonisierung und Stärkung des Nervensystems mit bestimmten Bewegungen.

Zum Ende des Blogs gab es dann nicht die übliche Meinung zum Buch, sondern die Ankündigung meines Tagebuchs zum Selbstversuch. Hier ist er!

Mein Selbstversuch – 28 Tage mit der Dynamischen Entspannung

Die eintägige Fortbildung bei Peter Bergholz in Dynamischer Entspannung war nicht der erste Impuls, den ich in Richtung positiver Beeinflussung des Nervensystems und damit auch der Gedanken und Gefühle bekommen habe. Bisher habe ich aber nie so richtig die Kurve gekriegt. Als ich während der Fortbildung zum Abschluss jeder Übung allerdings merkte, dass mir das richtig Spaß gemacht hatte und ich es schade fand, als sie endete, dachte ich: „Hey, das solltest du wirklich mal 4 Wochen ausprobieren!“ Wie eigentlich immer kam die ersten Tage danach etwas dazwischen. Dann habe ich mir aber das Buch mit der CD besorgt und 28 Übungstage in meinem Kalender notiert.

 

Meine Erfahrungen – Woche 1

Am Montag entspannt mich eine Harmonisierungs-Übung am Abend, am Dienstag erfreut und belebt mich die Kiefer- und die Hotspot-Übung nachhaltig. Die klassische Musik macht mir dabei echt Spaß, obwohl ich kein ausgeprägter Klassik-Fan bin.

Am Mittwoch Abend probiere ich das Nimm-2-Training aus und frage mich, warum Musik eigentlich nur noch einen solch geringen Stellenwert in meinem Leben hat (weil sie ständig nebenbei dudelt – im Supermarkt, in der S-Bahn, in der Öffentlichkeit überhaupt und mich das total nervt) und beschließe, dass das schade ist. Daraufhin krame ich gleich ein paar alte CDs heraus und lege dazu eine Tanzimpro hin – und bin selig!

Am Donnerstag verlege ich das Üben der blauen Reise auf den Nachmittag vor, da ich den ganzen Abend verabredet bin, und merkte gleich, das ist nicht meine Zeit. Die klassische Musik nervt mich zum Teil, die recht unenthusiastische Sprechweise von Peter Bergholz auch. Dennoch merke ich spätestens in der Mitte der Übung, wie der Wechsel von Anspannung und Entspannung deutlich Wirkung zeigen und ich am Ende wohlig wie eine Katze auf der Matte liege und gerne noch verlängern würde.

Am Freitag lerne ich die dynamischere rote Reise kennen und bin wieder genervt von der Musik, kann mich aber auf die Übung einlassen. Am Abend erzähle ich meinem Meditationskreis in Kurzform von der Fortbildung und bringe ihnen die 7 Hotspots in bewegter An- und Entspannung nahe. Die Rückmeldung ist fifty-fifty: Die Bewegungsaffinen finden´s toll und sind begeistert, die anderen eher nicht so und reagieren höflich-verhalten.

Am Samstag merke ich beim Laufen um den Teich, dass ich die Hotspots plötzlich voll im Gefühl habe und spiele eine Weile ganz lustvoll mit verschiedenen Bewegungen der Ellbogen. Die anderen Gelenke – Kiefer, Schulter, Handgelenke, Becken, Knie und Füße – spüre ich viel bewusster als sonst, was mein Laufen noch dynamischer, fließender und lustvoller macht. Danach geht es meinem vom plötzlichen Wetterumschwung pochendem Kopf wesentlich besser. Am Nachmittag mache ich in der Sonne eine Augenübung – etwas, das ich auch schon länger wieder aufnehmen möchte. Dabei stelle ich fest, dass auch hierbei die Lösung des Kiefers eine wesentliche Rolle spielt und genieße es konzentriert.

So kann das auch gehen, wenn man sich immer so viel vornimmt, weil einen so vieles interessiert. Der dritte Weg. Was ich damit meine? Nun, du kannst dir natürlich so viel vornehmen, dass du ständig zu viel machst und dann ganz gestresst bist, schlimmstenfalls auch von deinen Entspannungsprogrammen. Oder du nimmst dir so viel vor, dass du letzten Endes gar nichts machst, weil es einfach nicht zu schaffen ist. Oder du machst halt regelmäßig ein bisschen, bis es zur festen Gewohnheit wird und stellst dabei fest, dass sich vieles auch ebenso sinnvoll wie locker miteinander verbinden lässt. Nicht!?!

Das Bewegte Mentaltraining zum Neinsagen am Sonntag entwickelt sich ganz schnell und spontan zu einem lustvollen Nein-Tanz mit Wiederholungen. Damit habe ich nun jede der sechs verschiedenen Übungen einmal ausprobiert und schaue mal, wie es in der zweiten Woche weiter geht.

 

Woche 2

Am Montag hat die Kiefer-Übung eine derart nachhaltige Wirkung, dass ich den An- bzw. Entspannungsmodus meines Kiefers besonders Anfang der Woche, aber im Grunde die gesamte Woche hindurch viel bewusster wahrnehme als sonst üblich.

Am Dienstag wird mir die blaue Reise etwas lang, führt aber dennoch zu einem guten Entspannungszustand und einer erfreulich guten Nacht mit ausnahmsweise mal gutem und ausreichendem Schlaf.

Das Bewegte Mentaltraining zum Neinsagen am Mittwoch entwickelt sich wieder ganz schnell zu einem lustvollen Nein-Tanz. Interessanterweise ergeben sich diesmal bei den meisten der sieben Hotspots ganz andere Bewegungen als in der ersten Woche.

Am Donnerstag ersetze ich das Üben der dynamischen Entspannung durch eine interaktive Übung mit meiner lieben Freundin, der es durch Druck und Ausstreich-Bewegungen verblüffend leicht gelingt, meinen Atemfluss zu vertiefen. Als sie sich mit ihrem ganzen Gewicht auf mich legt, fragte ich mich allerdings schon, was ihre Waage eigentlich so sagt…

Freitag gebe ich der blauen Reise eine zweite Chance und habe wieder so meine Schwierigkeiten…

Samstag und Sonntag übe ich nicht.

Es ist eben so wie immer: Nach einen motivierten und disziplinierten Anfang kommt mir das Leben dazwischen, ich bin vollständig von anderen Dingen okkupiert und komme vom Üben ab. Das ist der Moment, wo es dann rasch zu einem Abspringen kommt. Das wird mir am Sonntag Abend klar und ich entscheide, eben das nicht zu tun und am Montag weiter zu üben.

 

Woche 3

Montag geht es dann also weiter, so als wäre nichts gewesen und ich genieße wieder die Entspannung der sieben Hotspots und das Dirigent-Spielen.

Dienstag darf ich mich an einem restlos ausgefüllten Tag am Nachmittag bei einer Freundin für eine Stunde auf die Matte legen und mich einer Shiatsu-Behandlung hingeben. Dabei stelle ich fest, dass dabei quasi die meisten Hotspots passiv bewegt werden und ich kann das ohne Widerstand geschehen lassen. Im Anschluss erzähle ich von der Dynamischen Entspannung und sie erinnert mich daran, dass sie einmal eine physiotherapeutische Fortbildung zur gezielten Entspannung des Kiefers absolviert hat. Ich fand das damals nicht so spannend, aber jetzt schon. Daher verabreden wir uns für das nächste Mal für eine Kiefer-Entspannung.

Mittwoch und Donnerstag bin ich so stark erkältet, dass ich mich überhaupt nicht bewegen mag. Das ist selten bei mir und ich habe gelernt, auf meinen Körper zu hören – jedenfalls tue ich das immer öfter und halte die Füße still.

Freitag praktiziere ich zur Vorbereitung auf meine Achtsamkeitsrunde die Rote Reise und werde schnell deutlich wärmer, belebter und freudiger. Als ich dann beginne, merke ich allerdings, dass ich doch wesentlich weniger fit bin als gedacht. Ich röchel, huste und schniefe mich derart durch die eineinhalb Stunden, dass es arg mit meiner Planung und meinem professionellen Anspruch kollidiert. Zum Glück kennen mich die Teilnehmenden schon länger und sehen es mir nach…

Samstag verreise ich und bin immer noch so erkältet, dass ich mich nicht bewegen mag. Auch Sonntag huste ich mir noch übelst die Seele aus dem Leib.

 

Woche 4

Ab Montag geht es mir allmählich besser, doch ich bin mit meinem Liebsten den ganzen Tag in der schönsten Natur Deutschlands unterwegs und kriege es nicht hin, zu üben bzw. fände es künstlich, mich jetzt dafür zurückzuziehen. Ich überlege, ob es jetzt angemessen ist, mir selbst ein schlechtes Gewissen zu machen und beschließe: „Nein!“ In den Ferien genieße ich es, dass alles völlig anders ist und das ist auch okay so.

Außerdem merke ich, dass mir die Übungen nachgehen. So ist mir zum einen der An- oder Entspannungszustand meines Kiefers viel präsenter und ich kann dadurch bewusster steuern. Zum zweiten lege ich mich abends häufiger so ins Bett, dass ich nicht auf dem Kiefer liege und dort Druck aufbaue, sondern insgesamt eine entspanntere und geradere Haltung als üblich einnehme. Dadurch schlafe ich häufiger auf dem Rücken und wache seltener mit verspanntem Schulter-Nacken-Bereich auf. Drittens spüre ich noch deutlicher als vorher, wie gut mir Bewegung tut und baue bewusster kleine Haltungs- und Ortswechsel in meinen Tag ein. Viertens fällt mir insgesamt viel häufiger als vorher auf, wie ich sitze, stehe oder laufe und kann mir das dadurch angenehmer gestalten.

 

Verlängerung

Da ich mit dem Üben nicht so am Ball geblieben bin wie geplant, belasse ich es auch in der zweiten Ferienwoche einfach so, wie es ist. Gleichzeitig plane ich für den Alltag danach eine Verlängerung für weitere vier Wochen und trage es mir auch entsprechend in meinen Kalender ein. Die Absicht dabei ist, einen Mittelweg zu finden zwischen den beiden Extremen: das Üben komplett aus dem Auge zu verlieren oder die Übungen zwanghaft durchzuziehen.

Ich berichte wieder von meinen Erfahrungen!

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Foto: Pixabay

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