Aromatherapie: Wohlgerüche für die Nase der Götter

Vor der Erfindung der Destillation, die uns die reinen Essenzen schenkte, behalfen sich unsere Vorfahren mit der Räucherung. Das Wort Parfum leitet sich vom lateinischen per fumam = durch Rauch ab. Getrocknete Kräuter und Harze wurden auf heißen Kohlen oder Steinen verbrannt, die Duftstoffe lösten sich und erfüllten die Luft.

Dies war sicher eine der ersten Heilmethoden. Die Menschen beobachteten, dass der Rauch nach oben stieg, dorthin, wo ihrer Meinung nach die Götter wohnen. So wurde das Räuchern für sie eine Art „duftende Postverbindung“ zwischen Menschen und Göttern. Sie schickten mit dem aufsteigenden Rauch Opferungen, Gebete und Wünsche gen Himmel. Der Weihrauch wurde den Göttern geweiht, die kostbarsten und angenehmsten duftenden Kräuter wurden ihnen via Rauch geschenkt. Dass sich die bei der Räucherung Anwesenden ebenfalls daran laben konnten, war ein erfreulicher Nebeneffekt und führte sicher zur großen Beliebtheit des Räucheropfers.

Die Heilkunst lag in den frühen Zeiten in den Händen der Priesterinnen und Priester. Heilung wurde als etwas Göttliches angesehen und mit rituellen Handlungen verknüpft. Noch heute steckt in unserem Wort „heilen“ das „heilig“. Religion ist für die Seele ein Heilmittel, und die Düfte haben ebenfalls eine heilmachende Wirkung auf die Seele. Aus diesem Grunde war die Anwendung von Düften immer mit religiösem Empfinden und kultischen Handlungen verknüpft.

Wohlgeruch war zu allen Zeiten ein Zeichen für die Anwesenheit der Götter, ja, er galt als göttliche Offenbarung. Unangenehme Gerüche assoziierte man mit der Anwesenheit übelwollender Wesenheiten. Man hatte beobachtet, dass sich bei einer Krankheit der menschliche Körper veränderte, meist unangenehme Gerüche ausströmte, und Krankheit war das Zeichen für eine abgebrochene Verbindung zum Göttlichen.

Kannst du dir ein Paradies vorstellen, in dem es schlecht riecht? Unsere Vorfahren konnten es auch nicht. Sie beschrieben in blumenreichen Worten die kostbaren Düfte, die uns im Paradies erwarten. Von Adams und Evas Leben heißt es, als Gott und seine Engel das Paradies betraten:

da bewegten sich alle Blätter des Paradieses, so dass alle Menschen, von Adam geboren, vom Wohlgeruch einschlummerten.

Götter scheinen Wohlgerüche zu lieben, das hat man zu allen Zeiten angenommen. Im Gilgamesch-Epos, dem ältesten Werk der Weltliteratur, wird erzählt, dass Noah als Dank für seine Rettung vor der Sintflut Zedernholz und Myrrhe für Gott verbrannte.

Viel hilft viel. Nach diesem einfachen Lehrsatz gebrauchte man in den reichen Hochkulturen das Räucherwerk. In Babylon, so ist durch Abrechnungen überliefert, verbrannte man jährlich 26 000 kg (!) Weihrauch. Die Assyrer opferten ihrem Gott Baal bei dessen jährlichem Fest nahezu 60 Tonnen Weihrauch. Bei der Beisetzung von Herodes sollen 5000 Sklaven mit Weihrauchgefäßen vorangeschritten sein, um alle und alles in wahre Nebelschwaden von Düften zu hüllen. Nero verbrannte bei der Bestattung seiner Gattin Sabina Poppäa 65 n. Chr. Angeblich so viel Räucherwerk, wie Arabien in einem Jahr liefern konnte (Arabien unterhielt damals eine eigene Schiffsflotte zum Transport von Weihrauch).

Nur das Kostbarste ist gerade gut genug für einen Gottessohn, dachten sich die Heiligen Drei Könige und packten Gold, Weihrauch und Myrrhe ein. Darin sieht man die ungeheure Wertschätzung, die Räucherstoffen entgegengebracht wurde.

Der Handel mit Räucherwerk war damals das Geschäft und wurde von den großen Staaten monopolisiert. Mit Weihrauch wurde überall in der ganzen antiken Welt gehandelt. Arabien war der größte Duftstoffexporteur, denn nur in einem Landstrich im südwestlichen Arabien wuchs der Weihrauchbaum, der das beste Weihrauchharz lieferte. In dieser Provinz regierte auch die legendäre Königin von Saba, in deren zarte Hände der Reichtum aus dem Duftstoffhandel floss.

Wenig ist im Vergleich zu damals vom Wissen über Wirkung und Gebrauch des Weihrauchs übrig geblieben. Heute wird Weihrauch in einfacher Zubereitung im Gottesdienst und bei Zeremonien der katholischen Kirche verwendet. Doch die meisten Priester wissen nicht mehr viel von dessen Wirkung oder vom Gebrauch der verschiedenen Mischungen.

Im Volkstum haben sich noch einige Reste früherer Räucher-Bräuche erhalten. Statt des teuren Weihrauchs gebrauchte man heilsame Kräuter für Räucherungen bei Krankheit von Mensch und Tier, für bestimmte Feste und Rituale. Noch heute werden im alpenländischen Raum das Haus und der Stall, besonders in den Rauhnächten (= Rauchnächten) zwischen Weihnachten und Neujahr mit Kräutern wie Wacholder, Salbei und Tanne ausgeräuchert. Die Heiligen Drei Könige, die am 6. Januar an jede Haustür klopfen, schwenken das Weihrauchgefäß durch die Räume.

Das aufkommende Interesse an Duftstoffen, die Nachfrage nach Weihrauch und Mischungen haben in jüngster Zeit dazu geführt, über den Sinn des Räucherns neu nachzudenken. Man entdeckte, dass keine Religion oder spirituelle Schule auf die Wirkungen der Düfte verzichtet, wenn sie ihre Gläubigen oder Schüler für kosmische Energien öffnen will.

Weihrauch und die meisten zum Räuchern verwendeten Substanzen wirken stark desinfizierend. Gerade in Tempeln, Kirchen und Versammlungsstätten, wo viele Menschen zusammenkommen, besteht hohe Ansteckungsgefahr. Und besonders in Zeiten, in denen es den Menschen schlecht geht, wenn man krank ist, sucht man die Nähe der Götter. So verwendete man das Räucherwerk als angenehm duftende Desinfektion.

Früher wusste man, dass sich auch Sorgen, Ängste oder Streit als Energien in einem Raum halten können. Gerade in Tempeln und Kirchen hinterlassen die Menschen ihre Sorgen. Deshalb gebrauchte man die Räucherungen zur „atmosphärischen Reinigung“. Auf diese Weise hielt man diese Plätze über Jahrhunderte rein.

In der Nähe Gottes oder der Götter erwartet man Nahrung und Hilfe für die Seele. Zu allen Zeiten wurden die aufbauenden Worte der Priesterinnen und Priester von den Düften unterstützt und begleitet. Heute weiß man, dass Düfte beleben, aufrichten, ja trösten können.

In den letzten Jahren haben die Wissenschaftler den Weihrauch unter die Lupe genommen. Sie waren aufmerksam geworden durch die immer wieder beobachteten Suchtfälle und auffallende Schnüffelsucht von Ministranten. Wissenschaftler der Akademie der Wissenschaften in Leipzig fanden 1981 im Weihrauch Stoffe, die sich bei der Räucherung entwickeln. Diese Tetrahydrocannabinole sind psychoaktive Stoffe, die eine bewusstseinserweiternde Wirkung haben.

Der australische Wissenschaftler Dr. Michael Stoddard entdeckte gar im Weihrauch Stoffe, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit Sexualhormonen haben. So scheint der Weihrauch, wie das australische Wissenschaftlerteam meint, sexuelle und ekstatische Energiequellen in uns anzusprechen. Das religiöse Ritual versteht diese zu nutzen und zu kanalisieren.

Auch in Verbindung mit Sandelholzöl hat man von einer derartigen Transformation gehört, die in den asiatischen Religionen und Philosophien genau beschrieben und gehandhabt wird. Dort finden sich noch detailliertere Angaben zur feinstofflichen Wirkung der Düfte. Der Körper des Menschen ist von feinstofflichen Energiekanälen durchzogen. Durch sie wird Lebensenergie über den Atem aufgenommen, der dann dem feinstofflichen Körper zugeführt wird. Düfte können diesen Vorgang beeinflussen und verstärken. Sie helfen dadurch, mehr Lebensenergie aufzubauen und den Austausch mit kosmischer Energie zu intensivieren. Dies erklärt die starke Wirkung der Essenzen auf die seelische Verfassung.

Als Weihrauch bezeichnete man früher alle Substanzen, die man räuchern konnte. Heute versteht man darunter nur noch Olibanum, das Gummiharz der nordafrikanischen Baumart Boswellia, deren milchiger Saft zu gelblichen und bräunlichen Körnern erhärtet.

Weitere bekannte und sehr geschätzte Räuchersubstanzen sind:

  • Myrrhe: das Gummiharz des Cammiphorastrauches aus Arabien und Afrika, das ebenfalls bräunliche Körner bildet,

  • Galbanum: das Gummiharz einer Fenchelart, das grünlichbraune, klebrige Körner bildet,

  • Styrax: auch flüssiger Amber oder Benzoin genannt, der dickflüssige Balsam des Amberbaumes, Liquidambra orientalis,

  • Benzoe: das Harz des Benzoebaumes,

  • Pinienharze verschiedener Arten – besonders geschätzt war jenes von Picea succinfera, deren Harz flüssiger Amber genannt wird,

  • auch aus Kräutern wie Wacholder, Ysop, Salbei und Piniennadeln mischte man Räucherwerk.

Es gab fertige Mischungen, die über Jahrhunderte in Mode waren und zum Teil noch heute in Gebrauch sind. Hierzu gehört „Kyphi“, eine ägyptische Räuchermischung, deren Rezept auf dem Papyrus Ebers (1550 v. Chr.) erhalten geblieben ist. Sie enthält 16 verschiedene Zutaten wie Weihrauch, Myrrhe, Kalmus, Galgant, Mastix und andere. In Ägypten verbrannte man sie am Abend zu Ehren des Sonnengottes Ra. Über die Wirkung berichten antike Autoren wie Plutarch und Dioscurides. Kyphi soll die Sorgen des Tages vertreiben, entkrampfen, beruhigen, Angst und Panik lindern, angenehme Träume machen und ist außerdem „den Göttern sehr willkommen“. Diese Räuchermischung fand so viel Zuspruch, dass Griechen und Römer daraus später ein Parfum kreierten: das erste bekannte Markenparfum, „Kyphi“.

Die alchimistische oder arabische Mischung sollte besonders Sammlung und Ausgleich fördern. Ein Teil der dunklen Harzkörnchen ist mit reinem Blattgold überzogen. So verschmelzen – symbolisch gesehen – Tag und Nacht, Weibliches und Männliches und steigen in den Himmel auf.

Der Kardinalsweihrauch, eine Mischung aus verschiedenfarbigen Harzen, hat eine besonders reinigende und desinfizierende Wirkung.

Diese klassischen Räuchermischungen kannst du käuflich erwerben und zu Hause anwenden. Besorge dir dazu ein Räuchergefäß und Räucherkohle und lege diese in das Gefäß. Warte nun, bis die Kohle glüht. Du kannst mit etwas Pusten oder Wedeln nachhelfen. Nun gib einen gestrichenen Teelöffel der Räuchermischung auf die Kohle. Lasse dich vom aufsteigenden Rauch inspirieren und entführen.

Du kannst dir auch deine eigene Räuchermischung zubereiten. Entweder aus verschiedenen Räucherharzen oder auch aus selbst gesammelten Pflanzen, die du trocknest und zerkleinerst. Es eignen sich Salbeiblätter, Kamillenblüten, Rosmarinblätter, Lavendelblüten, Tannen- und Fichtennadeln, Baumharze, Gewürze und vieles mehr. Auf einer Reise in den Süden kannst du eine Räuchermischung kreieren und damit zu Hause etwa die Stimmung einer Mittelmeerlandschaft zaubern. Sammele hierfür Zypressenzweige und -zapfen, Wacholderzweige, Cistrosenblätter, Thymianblätter, Pinienharz…

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Text – gekürzt und leicht geändert – von Susanne Fischer-Rizzi: Himmlische Düfte, München 1990

Foto: Pixabay

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