Ein spannendes Buch aus der Aromatherapie – zwar habe ich mit Räuchern insgesamt weniger zu tun, aber zur Raumreinigung ist Weihrauch das Mittel der Wahl!
Christine Fuchs & Caroline Maxelon:
Räuchern mit Weihrauch und heimischen Harzen. Mythos und Wirkung
Stuttgart 2018
Die Autorinnen
Christine Fuchs, geboren 1963 in Stuttgart, ist Deutschlands bekannteste Räucherfrau. Ihre Leidenschaft für das Räuchern hat sie vor ca. 20 Jahren entdeckt. Nach dem BWL-Studium und knapp 20 Jahren in der Automobilindustrie entdeckte sie die Welt der Räucherdüfte. Nach mehreren Räucher- und Heilpflanzenausbildungen
gründete sie 2008 eine Räuchermanufaktur. Es ist ihr Anliegen, mit dem Räucherwissen alter Kulturen die seelischen und mentalen Herausforderungen eines modernen Alltags zu bereichern.
Caroline Maxelon ist Ethnologin und hat sich auf Harze spezialisiert. Sie ist seit ihrer Jugend mit ehrenamtlicher Tätigkeit im Naturschutz tief mit der Natur verbunden und beschäftigt sich intensiv mit Naturspiritualität, Naturritualen und ureuropäischem Schamanentum. Zu ihren Fachgebieten gehört die Kultivierung und das Sammeln von Pflanzen für das Räuchern sowie die Erforschung und Archivierung von Räuchersubstanzen aus der ganzen Welt. Sie besitzt die landesweit größte Räucherstoffsammlung.
Der Klappentext
„Harze sind der vielleicht tiefste Pflanzenduft, den die Natur hervorbringt. Für alle Kulturen war besonders das Verräuchern von Weihrauch immer mit heiligen Zeremonien und rituellen Gesten verbunden. Heute entdecken immer mehr Menschen die heilsame und die Seele streichelnde Wirkung der naturreinen Harze – ob in modernen Ritualen, bei einer Hausräucherung oder der Beduftung von Räumen.
Das erste Buch zu ALLEN WEIHRAUCHSORTEN und den HEIMISCHEN Räucherharzen: Merkmale, Wirkung, Qualität und Bezugsquellen
50 HARZE und ihre Anwendung: für tiefe Entspannung, innere Wärme, Linderung von Schmerzen, Schutz und vieles mehr
Extra: Bewährte Mischungen für NATURRITUALE“.
Das Buch
Das farblich und grafisch sehr schön und übersichtlich gestaltete Buch besteht aus vier Hauptteilen:
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Die Welt des Räucherns
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Die Geschichte des Räucherns
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Weihrauch und heimische Harze im Porträt
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Zu guter Letzt
Wissenswertes
Harze sind natürliche Ausscheidungsprodukte von Bäumen aus verschiedenen Pflanzenfamilien. „Sie entstehen als Umsetzungs- bzw. Oxidationsprodukte der ätherischen Öle in der Harz führenden Schicht des Baumes, dem Kambium. Harze unterscheiden sich in Konsistenz und Duft sowie in der Form und Größe der Tropfen je nach Art und Alter des Baumes. Von Tropfen- und Tränenform bis zu stalaktitischer oder knollenförmiger Gestalt ist alles zu finden. Die Farben umfassen sämtliche Töne von fast Weiß, Gelb, Braun, Grau, Schwarz, Rot bis Hellorange oder Hellgrün. Die Konsistenz reicht von fest, halbfest, spröde oder zäh bis hin zu klebrig.
Je nach ihren Eigenschaften lassen sich Harze in drei Gruppen zuordnen – den gewöhnlichen Harzen, den Balsamen sowie den Gummiharzen.
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Gewöhnliche Harze lösen sich in Alkohol und Ölen, jedoch nicht in Wasser. Zu ihnen zählen beispielsweise Räucherharze exotischer Bäume wie zum Beispiel Benzoe, Copale, Dammar, Drachenblut, Elemi, Guajak, Mastix, Sandarak sowie die Harze unserer einheimischen Nadelbäume.
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Unter Balsamen versteht man gewöhnliche Harze, die sehr reich an ätherischen Ölen sind und eine Konsistenz ähnlich dickem Sirup haben. Beispiele sind Peru- und Tolubalsam, jedoch auch Tannen- und Lärchenharz.
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Gummiharze (Gummi resinae) wiederum sind ein Gemisch aus Harz, Gummi und Wasser, das auch als Harzemulsion bezeichnet wird. Sie unterscheiden sich von gewöhnlichen Harzen nur durch den Gehalt an Gummi und stellen ein Bindeglied zwischen Harzen und Balsamen dar. Gummiharze entstehen aus dem Milchsaft, den sehr viele Pflanzen und vor allem die Balsambaumgewächse (Burseraceae) und der zu ihnen gehörende Weihrauchbaum enthalten.“ Die Harze der verschiedenen Weihrauch-Arten werden Olibanum genannt.
„Für den Baum hat das Harz eine vergleichbar wichtige Aufgabe wie Blut und Lymphe beim Menschen: Es transportiert wichtige, heilkräftige Stoffe in fast alle seine Teile. Doch es gibt auch Baumarten mit nur sehr spärlich fließendem Harz wie zum Beispiel den Wacholder und solche, die gar kein Harz produzieren wie die meisten heimischen Laubbäume. Nur einige Obstbäume sondern vermeintliche Harztropfen ab. Sie sind aber keine Harze, sondern zählen als eine weitere Kategorie zu den sogenannten Gummen, die sich in Wasser ganz auflösen (…).“
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Echter Weihrauch: „Der Inbegriff des Weihrauchs ist das Harz der verschiedenen Arten des Weihrauchbaumes. Diese bilden die Gattung Boswellia und gehören zur Familie der Balsambaumgewächse (Burseraceae). Sie wachsen als Baum oder Strauch und werden 3 – 5m hoch, in Ausnahmefällen auch höher. Balsambaumgewächse zeichnen sich durch eine Besonderheit aus: Sie produzieren intensiv duftende Gummiharze, die sie bei Verletzungen absondern. Diese Substanzen unterscheiden sich in Geruch, Konsistenz, Gummianteil und Farbe von anderen pflanzlichen Harzen.“
Deutsche Pflanzennamen können trügerisch sein und es entsteht manchmal Verwirrung durch den in Europa als „Weihrauch“ bekannten Harfenstrauch, eine Balkon-, Hänge- und Beetpflanze. Sein Duft erinnert an den Geruch von Weihrauchharz, doch ist er botanisch eine andere Pflanzenart und auch nicht als Räucherwerk gebräuchlich. Der Rosen-Weihrauch ist eine Zimmerpflanze, deren Blätter intensiv duften und sich sogar zum Räuchern verwenden lassen. Die Pflanze hat jedoch ebenfalls nichts mit echtem Weihrauch zu tun.
Die Heimat des echten Weihrauchs erstreckt sich von Teilen Afrikas über Arabien bis hin nach Indien. In Afrika wächst er „am Horn von Afrika in Somalia, Äthiopien und Eritrea sowie im Sudan, in Kenia und im Senegal, in Kamerun und in Burkina Faso“.
In Arabien wächst der Weihrauch „im Süden des Omans im Gebiet Dhofar sowie im Jemen im Gebiet Hadramaut und auf der Insel Sokotra“, in Indien „in den Trockengebieten, in der Punjab-Region sogar bis nach Pakistan“. Die meisten Versuche, ihn in anderen Regionen zu kultivieren, sind gescheitert. Die vom Weihrauch „bevorzugten Bedingungen sind extrem selten zu finden: Es ist die Kombination eines extremen Trockengebietes mit großer Hitze, äußerst geringen Niederschlägen, jedoch ausreichend Sickerwasser aus Wasser führenden Sedimentschichten in einer sehr kargen Landschaft zwischen Felsen und Klippen – und das möglichst auch noch in Regionen in 500 – 1500 Metern Höhe.“
„Die Ernte des kostbaren Weihrauch-Harzes erfolgt durch Einritzen der Baumrinde mit einem traditionellen, messerähnlichen Werkzeug, das im Oman Mengaf, Manqaf oder Minqaaf genannt wird. Die leicht abgerundete Klinge hat den idealen Winkel, um die Harz führende Schicht des Baumes, das Kambium, zu treffen. Dazu ist jedoch Geschick und Erfahrung nötig, denn der Schnitt darf nur wenige Millimeter tief und auch nicht mehr als 5-8 Zentimeter lang sein. Der Abstand von einer Ritzstelle zur nächsten sollte eine Elle, also rund 50 Zentimeter betragen.“
„Die chemische Zusammensetzung des Harzes und die daraus folgende Intensität seines Duftes hängt stark von der Bodenbeschaffenheit und den klimatischen Bedingungen ab, unter denen der Baum heranwächst. Je nach Herkunft variiert also sein Gehalt an wirkungsvollen Substanzen, der Terpenen und Boswelliasäuren. In einem niederschlagsarmen Gebiet entwickelt der Baum sehr viele Terpene. Sie verleihen dem Harz einen äußerst intensiven Duft, was zu einer hohen Beurteilung seiner Qualität führt. Bei Kräutern ist das nicht anders: Je mehr Sonne in den Sommermonaten sie bekommen, desto wirkungsvoller und duftintensiver werden sie aufgrund des hohen Anteils an ätherischen Ölen.
Terpene sind in der Aromatherapie von großer Bedeutung, da sie antimikrobiell und fungizid wirken. Sie dienen sowohl als umweltfreundliche Insektizide sowie als natürliche Geruchs- und Geschmacksstoffe in der Parfüm- und Kosmetikindustrie. Beim Räuchern bescheren sie uns die Freude am intensiven Weihrauchduft.
Der Trumpf des Weihrauchharzes sind jedoch die verschiedenen Boswelliasäuren. Sie finden sich ausschließlich in Bäumen dieser Pflanzengattung, und ihnen hat das Harz seine medizinisch-pharmakologische Bedeutung und damit seine außerordentliche Heilkraft zu verdanken.“
Alles, nur kein Weihrauch
Im Handel finden sich heute viele verschiedene Substanzen mit dem Namen „Weihrauch“, die jedoch weit von der kostbaren Ursubstanz entfernt sind. Dazu gehören die unter dem Begriff Kirchenweihrauch angebotenen Mischungen, bunte Räuchermischungen im einschlägigen Handel, aromatisierter Weihrauch wie z.B. Aromaweihrauch, Jasmin-Weihrauch oder Weihrauch Lilac, wobei eine Grundsubstanz mit synthetisch hergestellten ätherischen Ölen versetzt wird, orientalischer Weihrauch und noch weitere „Weihrauch-Un-Arten“.
Ein Sonderfall ist der Weihrauch vom heiligen Berg Athos. Er wird von Mönchen produziert, indem der Weihrauch gemahlen und mit verschiedenen Duftessenzen wie z.B. Rose, Jasmin, Lemon, Zimt, Veilchen oder Honig unter ständigem Rühren und Kneten gemischt wird. Nach dem Trocknen wird die erhärtete Masse in Stücke geschnitten und in Magnesiumpulver gewendet, damit die Teile nicht wieder zusammenkleben.
Der THC-Mythos
„Um es vorwegzunehmen: Nicht nur Weihrauch hat eine psychoreaktive Wirkung. Jedes Räucherwerk wirkt psychoreaktiv. Denn die Duftstoffe gehen über den olfaktorischen Cortex, das Riechhirn, als Information direkt in das limbische System. Dieser Teil des Stammhirns ist verantwortlich für die Steuerung emotionaler Prozesse und des Erinnerungsvermögens. Vereinfacht ausgedrückt wandelt das limbische System die Duftinformationen so um, dass wir sie unmittelbar körperlich wahrnehmen, noch bevor das Großhirn mit seiner Willenskraft das verhindern kann. Führen wir dem limbischen System über das Riechorgan also etwas zu, das ihm gefällt, sind wir in bester Stimmung und fühlen körperliche Beschwingtheit und Leichtigkeit. Umgekehrt gilt natürlich dasselbe: Ein unangenehmer Geruch schlägt aufs Gemüt, wir werden unlustig und fühlen uns demotiviert. Widerwärtiger Gestank kann sogar regelrecht körperliche Übelkeit bis hin zum Erbrechen auslösen.
Lange Zeit hielt sich der Verdacht, Weihrauch sei THC-haltig und habe somit den gleichen Wirkstoff wie Cannabis. Ein Nachweis steht jedoch bis heute aus. Wissenschaftlich belegt ist aber, dass er stärker psychoreaktiv wirkt als andere Harze, denn sein Duft und Rauch stimulieren und beruhigen nachweislich das Gehirn. Dank des Inhaltsstoffes Incensol soll er sogar Ängste und Depressionen positiv beeinflussen.“
Meine Meinung
Äußerlich ist das Buch wirklich ansprechend aufgemacht. Es gibt schöne Fotos, ein sehr übersichtliches und dennoch warmes Layout und ansprechende Farben. Praktische Übersichten im Innen- und Außendeckel zu Harz-Fundstücken, zum Aussehen von gutem und nicht echtem Weihrauch, zum Sammeln und Verarbeiten von Harzen, zu entsprechenden Werkzeugen und den richtigen Utensilien für eine Grundausstattung ergänzen die Inhalte.
Die im Buch dargestellte Vielfalt des Weihrauchs finde ich unglaublich faszinierend. Ich hatte ja keinen blassen Schimmer davon! Da gibt es ungeahnte Kategorien, z.B.: Weihrauch von der arabischen Halbinsel und dann wiederum Sorten aus dem Oman /Qualitätsstufe 1, Grad 1,2,3 und diverse Sondergrade und Sorten aus dem Jemen in verschiedenen Qualitäten und Handelsformen. Dann geht es weiter mit Weihrauch aus Afrika, unterteilt in verschiedene Länder, Qualitäten und Handelsformen, Weihrauch aus Asien und Harze von heimischen Nadelbäumen wie Fichte, Weiß-Tanne, Douglasie, Lärche, Zeder, Wald-Kiefer, Zirbel-Kiefer, Berg-Kiefer, Schwarz-Kiefer, Pinie, Weiß-Kiefer, Wacholder, Zypresse, Scheinzypresse und Lebensbaum sowie Obstbaumharze. Was für eine wunderbare Mannigfaltigkeit. Als ich das Buch zum ersten Mal durchblätterte, war ich total verblüfft – und bin es immer noch. Da steckt ja mindestens eine komplette Wissenschaft dahinter, unglaublich!
Schön ist auch im letzten Teil des Buches die ansprechende Präsentation der verschiedensten Räuchermischungen mit Weihrauch pur oder mit Harzen heimischer Nadelhölzer. Dann gibt es u.a. Jahreskreis-Räucherungen zu Wintersonnenwende und Lichtmess, schamanische Räucherungen und naturspirituelle Räucherungen zur Reinigung, Segnung und Weihung.
Hilfreich und übersichtlich ist auch die Liste mit den Handelsnamen, der Herkunftsländer und der botanischen Arten des Weihrauchs mit Anmerkungen zu Aussehen, Qualität und Handelswege, die Literaturempfehlungen zum Weiterlesen, Angaben zu Informationen im Internet und Bezugsquellen der beiden Autorinnen, die natürlich mit dem Buch auch für ihr Business werben.
Fazit: Ein ebenso schönes wie höchst informatives Buch für in der Aromatherapie tätige Menschen und unbedingt empfehlenswert für alle Räucher- und/oder Weihrauch-Begeisterten!
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Foto: Pixabay