Um es gleich zu sagen:
„Coach“ ist in Deutschland kein gesetzlich geschützter Begriff, obwohl Weiterbildungs-Institute und Coaching-Verbände schon länger an der Durchsetzung von Qualitätsstandards für die Ausbildung arbeiten, z.B. durch Lizenzierungen. Obwohl es bislang kein einheitliches Berufsbild mit einheitlichen Anforderungen gibt, bewegen sich Coaches dennoch nicht im rechtsfreien Raum*. Bestehende Gesetze wie das Psychotherapeutengesetz und das Heilpraktikergesetz bilden eine Grundlage für zulässige Tätigkeiten.
Grundsätzlich gilt:
Coaching zielt auf eine Verbesserung der Lebensqualität und eine Steigerung der vorhandenen Potenziale ab. Es richtet sich an Personen ohne psychische Störungen. In der Regel geht es dabei um Gesundheitsförderung, Persönlichkeitsentwicklung, Problemlösung oder Zielfindung.
Psychotherapie ist dagegen nach §1 Abs. 3 Satz 1 des Psychotherapeutengesetzes „jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert (…)“.
Der Hamburger Diplom-Psychologe Rolf Winiarski** betont, dass sich die Beratungs-Klientel häufig von der Therapie-Klientel „durch geringeren Leidensdruck, geringere Motivation für langfristige Veränderungsarbeit sowie geringeres Problembewusstsein“ unterscheidet.
Was die Dauer von Psychotherapie und Beratung/Coaching anbelangt, ist bei Psychotherapie – je nach Dauer und Umfang der Thematik – von einer Therapiedauer von ca. 25 – 55 Stunden auszugehen. Bei einer Beratung geht es vorrangig um Hilfe zur Selbsthilfe. Manchmal reichen schon 3 – 5 Termine, manchmal läuft der Veränderungsprozess über 10 – 20 Sitzungen.
Übliche und zulässige Tätigkeiten von Coaches sind:
allgemeine Lebensberatung,
Entscheidungstraining bei Alltags- und beruflichen Fragen,
Karriereberatung,
Kommunikationstraining,
Konfliktmanagement,
(Selbst-)Motivations-Training,
Steigerung des Selbstbewusstseins,
Stressbewältigung,
Visionsentwicklung und Zielfindung.
Phasen-Modell in der Beratung
Winiarski skizziert ein beraterisches Vorgehen in drei Phasen, das ich noch um eine vierte Phase erweitere:
1. Screening-Phase:
Die Screening-Phase dient dem gegenseitigen Kennenlernen und dem Skizzieren der Jetzt-Situation. Schwierige Themen, nicht zielführende Verhaltensweisen und Problemreaktionen werden beschrieben und eingeordnet.
2. Arbeitsphase:
In dieser Phase wird der Arbeitsauftrag formuliert und ein Vertrag unterzeichnet, in dem neben den Modalitäten auch konkrete überprüfbare Ziele festgehalten werden. Daraufhin werden anhand von typischen Situationen die wenig hilfreichen Glaubenssätze und daraus resultierenden Verhaltensweisen herausgearbeitet, kritisch beleuchtet und durch zielführende ersetzt.
3. Verankerungsphase:
Die dritte Phase dient dazu, die neuen Erkenntnisse im Alltag zu trainieren und die neuen Verhaltens- und Reaktionsweisen zu festigen. Die Sitzungen beinhalten dabei v.a. die lösungsorientierte Reflexion der Erfahrungen.
4. Abschluss-Stunde
Damit die Beratung eine runde Sache wird, ist das Vereinbaren einer Abschluss-Stunde wichtig. Diese dient der Rückschau auf den vergangenen Prozess, der Würdigung der Erfolge und der Aussicht auf die weiteren Schritte, die dann ohne therapeutische Begleitung im Alltag durchlaufen werden. Auf Wunsch gibt es ein kurzes gegenseitiges Feedback, auf jeden Fall aber einen klaren Abschluss und Abschied. Natürlich steht dem Coachee zukünftig auch nach einem erfolgreichen Beratungsprozess die Praxis offen, wenn sich später neue Themen oder Entwicklungsbedarfe ergeben.
Methoden und Strategien der kognitiven Beratung
Die Methoden der kognitiven Beratung sind empathische, spiegelnde und herausfordernde Gespräche sowie effektive Übungen, in denen der Fokus auf typische Alltagssituationen gerichtet wird. Das beraterische Vorgehen ist dabei durch Respekt, Humor, Lockerheit, Ernsthaftigkeit, Hartnäckigkeit und einer Begegnung auf Augenhöhe geprägt. Während die ratsuchende Person Ziele und Tempo vorgibt, zeigt die Therapeutin den möglichen Weg, wobei sich die konkreten Schritte aus dem individuellen Prozess ergeben und die ratsuchende Person dabei ihre eigenen Antworten findet. Ein klares Eingrenzen der Situation und ein kleinschrittiges Entwickeln der Lösung ist essentiell, damit diese zukünftig auf ähnliche Situationen transferiert werden können.
Strukturiertheit und Zielgerichtetheit
Typische Strategien der kognitiven Beratung sind zum einen Strukturiertheit und Zielgerichtetheit sowie zum anderen die Einfachheit der Problemlösung. Der Veränderungsprozess vollzieht sich in Ausrichtung auf den formulierten Arbeitsauftrag und das gewünschte Ergebnis. Dabei gibt es kein generelles „richtig“ oder „falsch“, sondern nur mehr oder weniger zielführende Schritte in Bezug auf die gewünschte Situationsverbesserung. Dabei kann es natürlich hilfreich sein, wenn die Therapeutin Ziele und deren Motivation hinterfragt oder durch weiterführende Fragen neue Perspektiven eröffnet.
Ein Beispiel
Ein Klient kommt mit dem klaren Ziel, seine Prüfungsängste so weit zu überwinden, dass er sich an den Prüfungstagen nicht im Bett verkriecht, sondern die Prüfungen antritt und diese besteht. Während des Beratungsprozesses deutet eine große Traurigkeit auf eine ungelöste Eltern-Problematik hin und der junge Mann erkennt, dass seine Ausbildung eher dem Wunsch seines Vaters als seinem eigenen entspricht. Diese Erkenntnis setzt nach einer Phase der Trauerarbeit schließlich neue Energien frei und er findet seinen eigenen Weg, der aus einem persönlich motivierten Mittelweg zwischen Abbruch der Ausbildung oder Durchquälen bis zum bitteren Ende besteht.
Einfache Problemlösung
Eine einfache Problemlösung ergibt sich durch das Entwirren und Zerlegen des Problems in kleine Schritte. „Die Kunst der Problemlösung liegt in der Einfachheit, nicht in der komplizierten Verstrickung diverser Problemebenen“, schreibt Winiarski. Dieses Sortieren führt dazu, dass die Klienten einen Überblick bekommen und neue Verhaltensmöglichkeiten entwickeln können. Der rote Faden besteht dabei aus drei Strängen: Information, Verhalten und Emotion.
Information: Wo? Was?
Klienten benötigen oft Informationen darüber, wo sie Ansprechpartner, Selbsthilfegruppen, Behörden usw. finden und was es zu ihrem Thema überhaupt zu finden gibt. Daraus ergeben sich oft realistische Ideen für einen persönlichen Weg, und zwar fern von den bisher nur wahrgenommenen zwei Extremen (wie z.B. Gehen oder Bleiben usw.).
Verhalten: Wie?
Klienten suchen Hilfe dabei, wie etwas funktionieren könnte, z.B. ein klärendes Gespräch mit dem Partner führen, auf klare und ruhige Weise Nein sagen, auf andere eingehen ohne sich zu verlieren usw.
Emotion
Gefühlsstürme sind ein häufiges Thema in der Beratung („Ich bin in vor Wut total ausgeflippt!“) oder hemmende Gefühle („Ich habe vor Angst so gezittert, das war echt peinlich.“). Emotionale Turbulenzen können leichter aus der Distanz gelöst werden. Hilfreich ist dabei ein Exkurs im Sinne der Kognitiven Verhaltenstherapie zu Fragen wie: Was sind eigentlich Gefühle? Welche gibt es? Wie entstehen sie?*** Dabei reift die Erkenntnis, dass Gefühls-Probleme in der Regel durch bestimmte Gedanken und Bewertungen entstehen – ein für die meisten Menschen ebenso verblüffender wie hilfreicher Weg der Problemlösung!
Konkretes Vorgehen
In der kognitiven Beratung suche ich als Coach also zunächst nach „beratbaren“ Themen und hole mir dann durch gezielte und eingrenzende Rückfragen einen Arbeitsauftrag ein. Sollten die beschriebenen Probleme oder Verhaltensdefizite oberhalb der klinischen Schwelle liegen, spreche ich das direkt an. In diesem Fall ist eine umfassendere Psychotherapie angezeigt und es ist meine Pflicht, der ratsuchenden Person Möglichkeiten und Grenzen unseres Settings aufzuzeigen. Ich kann damit zum Problembewusstsein beitragen und Therapiemotivation aufbauen. Meiner Erfahrung nach ist den Ratsuchenden die Reichweite ihrer Anliegen in der Regel aber klar. Deshalb reagieren sie im Allgemeinen nahezu erleichtert, wenn ich ihnen deutlich, aber vorsichtig kommuniziere, dass ihr Thema nicht mal eben schnell in ein paar Stunden zu klären ist.
Wie dem auch sei:
Wenn der Schuh drückt, macht es auf jeden Fall Sinn, nicht zu lange zu warten, sondern die Sache in Angriff zu nehmen. Anruf oder Email sind der erste Schritt zu einem klärenden Erstgespräch und der Entscheidung, wie es weitergehen kann. Und da der erste Schritt bekanntlich der schwerste ist, lässt sich auf der entstehenden Welle in der Regel recht gut surfen.
Packen wir´s an, damit aus dem Knoten wieder ein roter Faden wird!
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*zu den Rechtsgrundlagen vgl. : www.anwalt.de: „Coach – ein Berufsbild ohne gesetzliche Norm?“, Rechtstipp vom 26.06.2012 v. Rechtsanwalt B. Zimmermann, F. a. M.
(Kooperationspartner des Deutschen Coaching Verbandes e.V. )
**Rolf Winiarski: „Der Beratung suchende Patient“ in: Stavemann (Hrsg.): KVT-Praxis, Weinheim, Basel 2008
***s. auch meinen Blog „Was sind Gefühle?“ vom 01.06.2017 und den Blog „Was sind Gefühls-Probleme?“ vom 12.08.2017