Heute wieder eine Buchbesprechung: ein Ratgeber zum Thema Schmerzerkrankungen für Betroffene und Angehörige.
Hans-Günter Nobis, Roman Rolke, Toni Graf-Baumann (Hrsg.):
Schmerz – eine Herausforderung.
3. vollständig aktualisierte und erweiterte Auflage
Berlin Heidelberg 2020
Die Herausgeber und Autoren
Hans-Günter Nobis ist Schmerzpsychotherapeut, psychologischer Psychotherapeut, ehemaliger leitender Psychologe der Abteilung Orthopädische Psychosomatik der MEDIAN-Klinik am Burggraben Bad Salzuflen, Gründungsmitglied und langjähriger Sprecher des Arbeitskreises „Patienteninformation“ der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V.
Professor Dr. Roman Rolke ist Lehrstuhlinhaber und Direktor der Klinik für Palliativmedizin, Universitätsklinikum der RWTH Aachen, Arzt für Neurologie und Palliativmedizin, langjähriger Sprecher der Ad-hoc-Kommission „Patienteninformation“ der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V.
Professor Dr. Toni Graf-Baumann ist Lehrbeauftragter an der Universität Innsbruck, ehemaliger Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. (DGSS), ehemaliger Präsident der früheren Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Schmerztherapie (DIVS), Dozent an der ISBA University-Angell Akademie Freiburg im Studiengang Physiotherapie, Mitglied des Arbeitskreises „Patienteninformation“ der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V.
Im Autorenverzeichnis finden sich noch Dutzende weitere Namen renommierter Ärzte, Ernährungsberater, Physiotherapeuten, Psychologen, Schmerzpsychotherapeuten, wissenschaftlicher Mitarbeiter u.a.
Aus dem Klappentext
„Werden Sie zum Experten Ihrer Schmerzerkrankung
In Deutschland leben etwa 1.4 Millionen Menschen, die aufgrund langanhaltender Schmerzen körperlich und sozial beeinträchtigt sind. Bei mehr als der Hälfte aller Menschen mit chronischen Schmerz dauert es mehr als zwei Jahre, bis sie eine wirksame Schmerzbehandlung erhalten. Dieses Buch hilft Betroffenen, sich gezielter professionelle Unterstützung zu suchen.
Knapp 60 führende Schmerzexperten haben mit über 77 Beiträgen daran mitgewirkt. So erfahren Betroffene und Angehörige mehr über die körperlichen, psychischen und sozialen Zusammenhänge von Schmerz, um die Behandlung motiviert und eigenverantwortlich mitzugestalten.
(…)
Dieses Buch richtet sich primär an von Schmerzen Betroffene und deren Angehörige. Gleichzeitig ist es ein wertvolles Nachschlagewerk für alle im therapeutischen Team beteiligten Berufsgruppen, die Schmerzpatienten betreuen und patientengerechte Erklärungen suchen.
Die 3. Auflage wurde komplett aktualisiert und umfassend erweitert, u.a. um die Themen „Schmerz und Sexualität“, „Wachstumsschmerzen bei Kindern“, „Endometriose“ und „Gelenkschmerz“, „Naturheilkunde bei Schmerz“ und was bei der Einnahme von Schmerzmitteln während Schwangerschaft, Stillzeit, auf Reisen und beim Sport zu beachten ist.
Rückmeldungen von Lesern
Ich habe lange nach einem Buch gesucht, das mit einfachen Worten, für Laien geeignet, Schmerzzustände erklärt. Es ist wichtig, dass die Familie endlich versteht wie es ist, den ganzen Tag Schmerzen zu haben.“
Buch
Der Ratgeber enthält nach einem Geleit- und einem Vorwort auf rund 200 Seiten sieben Teile und einen Serviceteil. Der erste Teil enthält sechs Kapitel zum Thema Schmerz. Der zweite Abschnitt beinhaltet elf Unterpunkte zu unterschiedlichen Schmerzerkrankungen. Der dritte Teil widmet sich in acht Kapiteln den Besonderheiten bei Schmerz. Im vierten Buchabschnitt finden sich Informationen zur Schmerzdiagnostik in fünf Punkten. Der fünfte Teil beschäftigt sich in fünf Kapiteln mit der Schmerztherapie. Im sechsten Buchteil finden sich acht Erfahrungsberichte von Schmerzpatienten. Der siebte Teil beinhaltet zehn Antworten auf die Frage: Wo finden Schmerzpatienten Hilfe? Im abschließenden Serviceteil werden Fachbegriffe erklärt, Buchempfehlungen gegeben und Internetadressen mit Patienteninformationen geteilt.
Inhalte
Der erste Teil zum Thema Schmerz fragt danach, was Schmerz eigentlich ist und unterscheidet akute von chronischen Schmerzen. Darüber hinaus finden sich Informationen zur engen Verbindung von Schmerz und Psyche, zur Kulturgeschichte des Schmerzes und zur Geschichte der Schmerztherapie.
Nach der Begriffsdefinition der Weltschmerzorganisation (IASP = International Association for the Study of Pain) „ist Schmerz ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis (…)“. Chronischer Schmerz ist eine besondere Herausforderung für Erkrankte und Behandler gleichermaßen – „gerade weil Schmerzen oft nicht vollständig gelindert werden können. Das gemeinsame Ziel liegt am Ende eines gemeinsamen Weges: mit dem Schmerz lebenswert leben und nicht gegen ihn.“ Die Entwicklung von Dauerschmerzen lässt sich anhand psychischer Risikofaktoren vorhersagen: „Mehr als 80% aller Patienten, die chronische Schmerzen entwickelten und nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückkehrten, waren Menschen mit depressiver Stimmungslage, dauerhaften Alltagsbelastungen und Konflikten in Beruf und Familie sowie ungünstigen Formen der Schmerzbewältigung. Als risikohaftes Schmerzverhalten erwiese sich einerseits ein ausgeprägt ängstliches Schon- und Vermeidungsverhalten, andererseits ein extrem entgegengesetzter Durchhaltewille (Entspannungsunfähigkeit)“.
Entwicklungsgeschichtlich betrachtet ist Schmerz in seiner Funktion als Schadensmelder oder -warner, also als Frühwarnsystem, wichtig für das Überleben. Gleichzeitig ist er regelhaft mit unangenehmen Gefühlen verbunden, „damit wir ihn ausreichend beachten und möglichst schnell lernen, wann es für uns gefährlich wird.“ Die „Wahrnehmung von Schmerzen mit allen Sinnes- und Gefühlsanteilen entsteht letztlich als Antwort einer vernetzten Aktivierung verschiedener Schmerzzentren des Gehirns“.
Moderne Schmerztherapeuten vertreten ein bio-psycho-soziales Schmerzmodell: Zum Bio-Anteil gehören Muskulatur, Gelenke, Hormone und Nerven, zur Psyche Gedanken, Gefühle, Stimmung, Verhalten und zum sozialen Aspekt zählen Arbeit, Familie, Freizeit, Kontakte. Dieses Modell variiert bei chronischem Schmerz: Dann gehören zur Biologie Entzündungen, Muskelverspannungen, vegetative Störungen sowie Nerven- und Gelenkschäden, zur Psychologie Hilflosigkeit, Ängste, Sorgen, unterdrückter Ärger und Niedergeschlagenheit und zum sozialen Bereich Stress, Konflikte, Arbeitsunfähigkeit, Ausgrenzung und Rückzug. Es geht also um den Zusammenhang zwischen ständigen Schmerzen und psychosozialen Belastungen. Außerdem ist heute unstrittig, „dass die gegenwärtig erhöhte Stressanfälligkeit/-bereitschaft auch auf belastende Erlebnisse in Kindheit und früher Jugend zurückgeführt werden kann“. Mit anderen Worten: „Auch ´seelischer` Stress ist echt und muss ermittelt werden“.
Leitsätze des ersten Kapitels sind:
„Grenzen zu haben ist menschlich, manchmal spüren wir sie zuerst im Körper“, „Schmerz ist das, was immer ein Mensch darunter versteht und Schmerz ist vorhanden, wann immer ein Mensch ihn wahrnimmt“ (Margo McCaffery),
„Der Schmerz ist über das individuelle Erleben hinaus von kulturell-gesellschaftlichen Normen beeinflusst, was auch in der Behandlung berücksichtigt werden sollte“ und „Es ist nicht nur der Schmerz, der das Leben bestimmt, sondern es ist auch das Leben, das die Intensität und die Bewertung des Schmerzes mitbestimmt“.
Wichtige Bausteine bei der Schmerztherapie sind u.a. die Aufklärung oder Edukation, die körperliche Aktivierung und die Ermutigung der betroffenen Menschen.
Der zweite Teil klärt über 13 unterschiedliche Schmerzerkrankungen auf: Rücken-, Kopf-, Nerven-, Phantom-, Tumorschmerz, Magen-Darm-Schmerz, Fibromyalgie-Syndrom, Somatoforme Schmerzstörung, Mund- und Gesichtsschmerz, Gelenkschmerz, Komplex Regionales Schmerzyndrom (CRPS), chronischer Unterbauchschmerz der Frau und Endometriose.
Im Zusammenhang mit dem Rückenschmerz wird ein zentraler Aspekt betont: „Schwierig kann die Behandlung von Rückenschmerzen werden, wenn psychologische Faktoren hinzukommen. Diese als ´yellow flags` (gelbe Flaggen) bezeichneten Risikofaktoren können den Verlauf von Rückenschmerzen nachhaltig beeinflussen und eine chronische Schmerzerkrankung nach sich ziehen. Aus mehrere Jahre umfassenden Beobachtungsstudien (…) weiß man, dass beispielsweise beim Vorliegen depressiver Symptome eine Chronifizierung der Schmerzen wahrscheinlicher ist. Dies gilt auch für psychische Belastungen anderer Art, wobei neben frühen traumatischen Lebenserfahrungen besonders auch aktuelle Probleme in der Partnerschaft und/oder am Arbeitsplatz Einfluss nehmen können.“
In Bezug auf die Migräne wird auf die besondere Art der Informationsverarbeitung, das sogenannte „Hochleistungs-Gehirn“, und in einem eindrücklichen Schaubild auf die Überschreitung der sogenannten „Migräneschwelle“ hingewiesen.
Der dritte Teil befasst sich mit Besonderheiten bei Schmerz wie:
Schmerz und Schlaf, Schmerz bei Kindern und Jugendlichen, Schmerz im Alter, Schmerz bei Frauen und Männern, Schmerz und Partnerschaft, Schmerz und Sexualität, Schmerz und Placebo sowie Wachstumsschmerzen bei Kindern. Dieser Teil beinhaltet eine Vielzahl von Informationen wie z.B.: „Menschen, die in der Nacht vor einem Eingriff schlecht schliefen, litten nach der Operation verstärkt unter Schmerzen“ oder der Tatsache, dass erwachsene Menschen 50% des Gesamtschlafes einer Nacht in flachen Schlafphasen verbringen, die bei älteren Menschen noch weiter zunehmen. Essentiell sind auch die Antworten auf die Frage, wie man Schmerzen bei Menschen mit Demenz erkennen kann. In Bezug auf die Geschlechter zeigt sich, dass Frauen generell häufiger unter fast allen Arten von Schmerzen leiden als Männer. „Sie weisen zudem eine höhere Schmerzempfindlichkeit und eine niedrigere Schmerzschwelle auf. Zusammengenommen erklärt dies, warum Frauen auch häufiger unter chronischen Schmerzen leiden.“ In Bezug auf Schmerz und Partnerschaft werden wichtige Unterpunkte wie die Wirkung von Schmerzen auf die Partnerschaft, die generelle Bedeutung von Verständnis und die Möglichkeit, den Alltag trotz bzw. mit dem Schmerz zu gestalten. Zudem können viele Folgen der Schmerzerkrankung einen wesentlichen Einfluss auf die Sexualität haben. Leider ist das häufig kein Thema in der Schmerztherapie, obwohl eine umfassende Behandlung alle Aspekte der Beeinträchtigung der Lebensqualität beachten sollten.
Im vierten Teil finden sich Informationen zur Schmerzdiagnostik unter Berücksichtigung der Punkte Schmerzanamnese mit diversen weiter führenden Fragen, Schmerzfragebögen zur Erfassung der Erkrankung und ihrer Folgen, Messung der Schmerzstärke zur Anpassung der Therapie an die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen, Messung der Schmerzempfindlichkeit für eine möglichst passgenaue Schmerztherapie und Schmerztagebücher zum besseren Verständnis der Schmerzsymptomatik, wobei zu beachten ist, dass sich die Stimmung in Abhängigkeit von den Schmerzen verändern und umgekehrt auch schmerzlindernd oder -verstärkend wirken kann.
Der fünfte Teil zur Schmerztherapie beschäftigt sich mit der interdisziplinär-multimodalen Schmerztherapie und verschiedenen medizinischen Therapieverfahren (medikamentöse Schmerztherapie, invasive Schmerztherapie und Nervenblockaden, neurochirurgische Schmerzbehandlung, Schmerzbehandlung vor und nach Operationen, Akupunktur, manuelle Medizin und Naturheilkunde bei Schmerz). Außerdem werden psychologische Therapieverfahren wie die Kognitive Verhaltenstherapie, die Tiefenpsychologische Behandlung, Entspannungstherapie, Biofeedback, Hypnose und Schmerzakzeptanz besprochen. Es folgen Ausführungen zu Physiotherapie und physikalischen Verfahren und zu ergänzenden Verfahren wie der Imagination, der Feldenkrais-Methode, der Musiktherapie und zum Themenkreis Schmerz und Ernährung. Wichtige und hilfreiche Informationen finden sich auch im Unterpunkt „Schmerzmittel auf Auslandsreisen“.
Zu Beginn des Kapitels wird betont, dass die Mehrzahl der Behandlungen bei chronischem Schmerz noch in den Praxen von Allgemein- und Fachärzten statt fände. Wenn die Behandlung der Schmerze erfolglos verlaufe, beschränke sich diese oft auf die Verordnung von Medikamenten und passive Maßnahmen der Physiotherapie.
Die Notwendigkeit von Operationen, z.B. bei chronischem Rückenschmerz, bestünde nur bei 1% der Fälle.
Bereits Mitte der 1960er Jahre wurde nachgewiesen, dass Menschen über ein körpereigenes Schmerzsystem verfügen. Psychologische Faktoren spielen bei der Schmerzerklärung eine ebenso wichtige Rolle wie körperliche. Zum Beispiel kommt es bei „starker gefühlsmäßiger Erregung oder bei großen Verletzungen dazu, dass die betroffene Person diese Schmerzen zunächst nicht wahrnimmt oder Patienten nach gleichen Eingriffen sehr unterschiedliche Schmerzintensitäten angeben. Neben biologischen werden also auch gedankliche, gefühlsmäßige und soziale Einflüsse aktiv, die das Schmerzgeschehen schwächen oder verstärken.“ Daraus ergibt sich der Behandlungsansatz, neben der Linderung von Schmerzen auch die eingeschränkten körperlichen, psychischen und sozialen Fähigkeiten zu verbessern.
Schmerzmittel sind ein wichtiger Baustein der Schmerztherapie, doch sollte die Behandlung durch weitere Verfahren wie Psycho- oder Physiotherapie ergänzt werden. Die medikamentösen Schmerzeinstellung ist ein Balanceakt zwischen einer guten Schmerzlinderung und einer guten Verträglichkeit. Dazu braucht es Geduld und Kompromissbereitschaft. Allerdings ist eine vollständige Schmerzfreiheit selten ein realistisches Ziel. Ärzte gehen von einer erfolgreichen Behandlung aus, wenn sich der Schmerz um mehr als ein Drittel lindern oder, besser noch, mehr als halbieren lässt. Für Betroffene ist dies oft ausgesprochen enttäuschend.
Verhaltensweisen, die zu Schmerzen führen bzw. diese verstärken, sind z.B. innere Zwänge wie z.B. Durchhaltenwollen („Stell dich nicht so an, du kannst dich heute Abend ausruhen“), Bagatellisieren („Ist nicht weiter schlimm“) und Ignorieren („Einfach nicht beachten“) sowie damit verbundene Durchhaltestrategien („trotz Schmerzen die Aktivität unbedingt erst zu Ende zu bringen“). Ebenso ungünstig ist eine „ängstlich-vermeidende Schmerzverarbeitung“. Bio-psycho-soziale Folgen des Schmerzes können Schlafstörungen, Erschöpfung, Versagensgefühle und depressive Stimmung sein. „Resignative Gedanken (´Hilf-/Hoffnungslosigkeit`) wie auch die vermehrte Anstrengung führen dann in einen Teufelskreis der zunehmenden Schmerzverstärkung“.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Schmerzakzeptanz. Viele chronisch Schmerzkranke verbinden damit nichts Gutes. Meist haben sie fast alles ausprobiert, um den Schmerz loszuwerden. „Helfen diese Dinge, ist es gut. Was aber, wenn nichts davon so richtig anschlägt? In ihrer Verzweiflung probieren viele im Kampf gegen den Schmerz alles aus, was ihnen angeboten wird. Je weniger es hilft, umso mehr steigt die Verzweiflung. Der Kampf gegen den Schmerz wird zum Problem. Das ganze Leben dreht sich nur noch um den Schmerz, der Kampf dagegen wird immer mehr zu einem Teil des Alltags. Ein regelrechter Teufelskreis entsteht, in dem sich Hoffnung und Enttäuschung ständig abwechseln. In dieser Situation ist es sinnvoll zu fragen, gegen wen der Kampf letztendlich gerichtet ist. Es gibt ja keinen äußeren Feind, der uns die Schmerzen bereitet. Letztlich kämpfen wir gegen uns selbst. Die Frage ist: Hilft das? Ist es nicht vielleicht sinnvoll, etwas anderes zu tun, als gegen den Schmerz zu kämpfen, wenn die Erfahrung immer wieder zeigt, dass es so nicht funktioniert? Die Schmerzforschung zeigt sehr deutlich, dass sich unser Schmerzerleben positiv verändern lässt, wenn wir uns trauen, auf den Schmerz zuzugehen und ihn genau zu beobachten – statt davonzulaufen oder in ihm unterzugehen.“ In diesem Sinne heißt Schmerzakzeptanz letztendlich, „Möglichkeiten zu finden, von dem Schmerz nicht vereinnahmt zu werden und dennoch ein zufriedenes Leben zu führen.“ So gibt es z.B. Übungen der „Akzeptanz Commitment Therapie“, durch die erlernt wird, „das Erleben im Moment wahr- und anzunehmen, statt sich in Sorgen über Zukunft und Vergangenheit zu verlieren. Natürlich wird immer noch Schmerz erlebt, doch er erscheint nicht mehr so belastend, erdrückend und als Hindernis für ein erfülltes Leben“.
Etwas verwundert bin ich über die uneingeschränkte Empfehlung des Fastens, auch bei Migräne, im Ernährungsteil am Ende des Kapitels. Es ist kein Geheimnis, dass viele Migräniker eben durch Fasten Attacken auslösen, vermehren und verschlimmern können und deshalb ein stabiler Blutzuckerspiegel und das regelmäßige Zuführen von Kohlenhydraten essentiell ist!
Im sechsten Teil finden sich acht Erfahrungsberichte von Schmerzpatienten zu den Schwerpunkten chronischer Rückenschmerz und Psychotherapie, Sprechen und Sprachlosigkeit in einer Schmerzgruppe unter psychologischer Leitung, atypischer Gesichtsschmerz, äußerer und innerer Umgang mit einem Trauma und einer jahrzehntelangen Schmerzerkrankung, Lebensqualität einer Schmerzpatientin, persönliches Migräne-Management, von der Hilflosigkeit eines Schmerzpatienten zum aktiven Tun, die Bedeutung von Selbsthilfe bei Nervenschmerzen.
Der siebte Teil beantwortet die Frage: Wo finden Schmerzpatienten Hilfe mit den zehn Punkten Patienten-Selbsthilfe ( Verständnis, wechselseitige Unterstützung, Solidarität), Schmerzambulanz, Schmerzklinik mit einem ganzheitlichen, multimodalen Ansatz, Schmerz-Tagesklinik, Schmerz-Rehaklinik, interdisziplinäre Schmerzkonferenz, Arzt mit Zusatz „Spezielle Schmerztherapie“, Psychotherapeut mit Zusatz „Spezielle Schmerzpsychotherapie“, Pflegekräfte mit Zusatz „Pain-Nurse“ und Physiotherapeut mit Zusatz „SpezielleSchmerzPhysioTherapie“ (SpSPT).
Der abschließenden Serviceteil erklärt zum einen Fachbegriffe von „absteigender Schmerzhemmung“ über „Medikamentenfehlgebrauch“ bis hin zu „“Zielkonflikt“. Darüber hinaus finden sich Buchempfehlungen zu allgemeinen Themen wie z.B. gesunden Faszien, Leben mit chronischen Schmerzen, Schmerzen verlernen, Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT), zum Thema Rückenschmerz, Kopfschmerz, Somatoforme Schmerzstörung, Kinder, Kiefergelenk, Gelenkschmerz und Arthrose, Schmerz und Pflege, Entspannung und Achtsamkeit, Fibromyalgie, Sport/Bewegung bei Schmerzen, Hörbuch/Film, Unterbauchschmerzen sowie CRPS.
Drittens beinhaltet der Serviceteil Internetadressen mit Patienteninformationen wie z.B. Ärzte und Psychotherapeuten mit der Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“, Patientenseiten von Fachgesellschaften, Patienten-Leitlinien, öffentliche Einrichtungen, Betroffenenverbände und Selbsthilfe, Übungen und Material, Patienten berichten/Foren, Edukationsfilme und sonstiges.
Fazit
Obwohl der Ratgeber von vielen verschiedenen Menschen geschrieben ist, wirkt er wie aus einem Guss und bietet eine gute Einführung in das Thema. Wer sich gezielt in Theorie und Praxis weiter informieren und betreuen lassen möchte, findet im Serviceteil gute Hinweise. Weniger gelungen finde ich den sechsten Teil. Die angekündigten Erfahrungsberichte von Schmerzpatienten erweisen sich nur in der Hälfte der acht Fälle als persönliche Beiträge von Betroffenen. Die andere Hälfte besteht aus Berichten von Behandlern, z.T. mit wörtlichen Zitaten. Das ist schade und macht einen großen qualitativen Unterschied zwischen den Berichten aus. Diese Kluft wird noch durch die sehr unterschiedliche Länge der Teile vergrößert. Hier wurden Chancen vertan. Positiv finde ich aber, dass diese persönlichen Erfahrungen überhaupt Eingang in das Buch gefunden haben. Ebenso wichtig finde ich auch besprochene Aspekte wie z.B. „Wachstumsschmerzen bei Kinder,“, „Schmerz und Sexualität“ oder „Naturheilkunde bei Schmerz“ und „Medikamente auf Reisen und beim Sport“, die in der dritten Auflage des Ratgebers hinzugekommen sind und wesentliche Themen bei der Beschäftigung mit Schmerz darstellen.
Insgesamt also ein empfehlenswertes Fachbuch zum Einstieg und zur ersten Orientierung.
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Foto: Pixabay