In ihrem Buch zum Body 2 Brain-Resilienztraining*, das ich hier schon vorgestellt habe, schreibt Claudia Croos-Müller ein wichtiges zum „Krafträuber Angst“.
„Gute“ Angst und „schlechte“ Angst
„Angst gehört eindeutig zu den negativen Emotionen und erzeugt enorm viele Stresshormone. Sie gehört zu unseren Grundgefühlen, und es gibt sicherlich kein Lebewesen auf dieser Erde, das dieses Gefühl nicht kennen würde. In einer für unser Leben und auch für unsere Selbstachtung bedrohlichen Situation reagieren Körper und Gehirn mit einem Notprogramm: Das Herz schlägt schneller und pumpt damit mehr Blut in die Muskeln und das Gehirn, Cortisol wird ausgeschüttet, der Blutdruck steigt. Wir sind bereit: Flucht oder Kampf. (…)
Angstgefühle unterstützen über den Körper im Gehirn eine Überlebensstrategie. Eine gerechtfertigte Angst kann uns das Leben retten. Aber bei grundlegender Ängstlichkeit, einer Angsterkrankung oder einer Panikreaktion ist die ganze Aufregung umsonst. Es ist sinnloser Stress, vor allem für die Gesundheit, denn das Stresshormon Cortisol, das normalerweise für Flucht und Kampf gedacht ist, schwimmt unbenutzt im Körper umher und richtet Schaden an.
´Gute` Angst ist okay: das Abwägen und das respektieren des eigenen Bauchgefühls, um einer Gefahr zu entgehen. Aber die ´schlechte` Angst ist ein Lebensverhinderer, der uns viel Kraft kostet.“
In vielen Praxen begegnen Psychotherapeuten zunehmend dem Krankheitsbild der „Angststörung“ oder „Panikattacken“ im Zusammenhang mit Überforderung und Erschöpfung. Oft ist dies die Folge einer Burnout-Symptomatik, teilweise in Kombination mit einer Depression.
Mut schließt Angst nicht aus
Ein bisschen Angst darf sein, auch wenn du mutig bist oder sein möchtest. Eine gewisse Angst kann in bestimmten Situationen wichtig sein, um abzuwägen, was zu tun ist, um dich selbst zu schützen statt blindlings ins Verderben zu laufen. „Ein wirklich mutiger Mensch vermeidet die Extreme, er bleibt in der Mitte zwischen Tollkühnheit und Angstlähmung.
Als Vorbereitung auf eine Situation, die dir Angst macht, kannst du kleine Körperübungen machen. Probiere am besten sinnvolle Anti-Angst-Bewegungen. „Durch die nachfolgend beschriebene stabile Haltung gegen die Angst spüren die Nervenenden der Fußsohlen den Kontakt zum Boden, durch die leicht breitbeinige Position wird das Stabilitätsgefühl der Hautnerven und der Nerven, die für den sogenannten Lagesinn zuständig sind, verstärkt, was als Information ans Hirn weitergeht. Die aufrechte Haltung vermittelt ein Gefühl von Sicherheit und gibt Überblick. Die ruhig abgelegten Hände signalisieren über die dortigen Nervenenden dem Gehirn entspannte Handlungsfähigkeit. Durch einen derartige Körperhaltung mit entsprechender Rückmeldung an das Gehirn können die Angstareale dort nicht aktiv werden und keine Stresshormone produzieren. Der Wissenschaftler und Psychologe Johannes Michalak von der Universität Witten/Herdecke hat in mehreren interessanten Untersuchungen zusammen mit amerikanischen Kollegen die Auswirkung von Körperhaltungen auf die psychische Reizverarbeitung untersucht und festgestellt: Kraftvolle Körperhaltungen wirken antidepressiv und ermutigend.“
Body2Brain-Übung gegen die Angst
Schlürfatmen: Mache die Lippen rund, so als wolltest du einen Trinkhalm umschließen. Nun atme genüsslich die Luft ein.
Beim Ausatmen die Lippen locker lassen und wie ein Pferd etwas schnauben.
Lege eine Hand auf die Herzgegend oder reibe sanft links und rechts entlang des Brustbeins.
Nimm Haltung an, richte dich auf.
Beim aufrechten Stehen oder Sitzen hilft es, die Beine etwas weiter auseinander und die Füße fest auf den Boden zu bringen. Lege im Sitzen die Hände entspannt auf den Oberschenkeln oder den Stuhllehnen ab.
Auch das Stampfen mit beiden Füßen lässt sich in diesem Sinne hervorragend nutzen. Oder du trommelst dir wie Tarzan mit beiden Händen abwechselnd auf die Brust.
„Ebenfalls hilfreich ist es, sich an einer Wand oder an einen Türrahmen anzulehnen und dabei bewusst und intensiv die Wirbelsäule zu spüren. Sie ist so etwas wie die Haltestange im Bus für die Fahrgäste: Der gesamte Körper braucht diese Wirbelsäule für seinen Halt. Durch die Wahrnehmung dieses wichtigen Körperteils entsteht im Gehirn sofort ein Gefühl von Stabilität und Stärke.“
Hilfreiche Vorstellungen und die Kraft der Fantasie
Von den Traumatherapeutinnen Luise Reddemann und Michaela Huber hat Claudia Croos-Müller einige Techniken übernommen, die ebenfalls gut gegen Ängste wirken:
Lasse dich von einem „inneren Helfer“ unterstützen. Das kann ein Tier sein (im Schamanischen nutzt man Krafttiere als hilfreiche Begleiter aus der geistigen Welt) oder die Vorstellung einer weisen Frau oder eines Superhelden an deiner Seite.
Auch die Vorstellung eines Gartens als Ruheplatz voller Düfte und Vogelgezwitscher stärkt dich und vertreibt die Angst.
Notiere persönliche Stärkungssätze und positive Affirmationen – deine Sammlung für Notfälle.
Und dann kannst du das Ganze noch mit Body2Brain-Übungen kombinieren:
Umarme dich selbst und tröste den Anteil in deinem Inneren, der ewig Kind bleiben will: dein inneres Kind.
Stelle dir einen kraftvollen Baum vor und lehne dich in Gedanken mit dem Rücken dagegen.
Male dir ein Kraftbild, das alles enthält, was dir Mut macht.
Schaue in deiner Biografie nach: Welche Angst hat dir schon einmal geholfen? Welche Angst behindert dich? Finde Beispiele. Schreibe dann die störenden Ängste auf. Am besten ist es, wenn du aus dem Papier einen kleinen Flieger bastelst und ihn zusammen mit deinen Ängsten fortfliegen lässt. Oder du faltest ein Schiffchen und lässt es mit deinen Ängsten fortschwimmen.
„Jedes Anti-Angst-Training ist ein Resilienztraining.“ Es wird zunehmend gute Gefühle wie Lebensfreude und Stolz in dir erzeugen. Durch entsprechende Neuronenvernetzungen wird es zu Neurotransmittern führen, die deine psychomentale Gesundheit stärken. Viele der genannten Übungen kannst du täglich mehrfach und unbemerkt ausführen. Und zusammen mit anderen macht es noch mehr Spaß und hat einen Multiplikatoreneffekt.
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Dr. med. Claudia Croos-Müller: Kraft. Der neue Weg zu innerer Stärke. Ein Resilienztraining. München 2015
Foto: Pixabay