Was ist MBSR?
MBSR/Mindfulness Based Stress Reduction, bedeutet Stressbewältigung durch Achtsamkeit und ist ein von Jon Kabat-Zinn entwickelter achtwöchiger Achtsamkeitskurs zur besseren Bewältigung von Stressbelastungen.
Vorbemerkung I:
In diesem Blog stelle ich einen klassischen MBSR-Kurs vor, demnächst gibt’s die Übungsbeschreibungen hinterher*.
Vorbemerkung II:
Stress ist nicht unbedingt schlecht. Wenn du zu wenig Stress hast, bist du irgendwann unterfordert und gelangweilt. Wenn du jedoch unter Dauerstress stehst, kann dein Körper die Stresshormone und -reaktionen nicht mehr abbauen und du wirst früher oder später Befindlichkeitsstörungen bis hin zu ernsthaften Krankheiten entwickeln.
Vorbemerkung III:
Im Verlauf eines MBSR-Kurses merkst du im schlimmsten Fall, dass Achtsamkeit nicht wirklich etwas für dich ist und du hast einige spannende Erfahrungen gemacht. Im besten Fall stellst du fest, dass Achtsamkeit voll dein Ding ist und integrierst die erlernten Übungen in deinen Alltag.
Ablauf eines klassischen MBSR-Kurses
Das Programm beginnt mit einer Selbstverpflichtung, auf jegliches Urteil zu verzichten und die empfohlenen Übungen acht Wochen lang kontinuierlich durchzuführen. In dieser Zeit führst du Tagebuch, in dem du deine Erfahrungen, Gedanken, Gefühle und Fortschritte festhältst.
1. Woche: Den Autopiloten kennenlernen
Die meisten unserer Handlungen passieren automatisch, wir handeln unbewusst, im sogenannten Autopilotmodus. Dein Geist beschäftigt sich mit denselben alten Gedanken, du reagierst darauf und dein Stresspegel steigt, ohne dass du das merkst.
Dagegen ermöglicht dir achtsame Aufmerksamkeit, in konkreten Situationen bewusst zu entscheiden, wie du agierst (statt lediglich zu reagieren) und dich von den automatisierten Reaktionsmustern deines Geistes zu befreien. Damit erweiterst du deine Wahl- und Handlungsmöglichkeiten und fühlst dich nicht mehr der Situation ausgeliefert, sondern übernimmst bewusst die Führung.
In der ersten Woche lernst du drei verschiedene Übungen kennen:
Du beginnst die Woche mit der Rosinen-Übung und notierst in deinem Tagebuch, welche Erfahrungen du damit machst. Darüber hinaus übst du täglich den Body Scan und notierst auch hier deine Erlebnisse. Als drittes wählst du eine alltägliche Handlung wie z.B. das Zähneputzen und führst diese nicht automatisch, sondern auf achtsame Weise aus. Du lässt dich sozusagen mit der Neugier eines Wissenschaftlers auf dieses Experiment ein.
2. Woche: Hindernisse ausräumen
Wenn du ganz neu mit der Meditation anfängst, hast du vielleicht zunächst den Eindruck, noch unruhiger als vorher zu werden. Das stimmt so nicht. Vielmehr kommen in der achtsamen Stille jede Menge Gedanken und Gefühle hoch, die du vorher in der Hektik des Alltags entweder gar nicht bemerkt oder einfach weggedrückt hast. Unser Geist hat die Tendenz, Erfahrungen als gut oder schlecht zu bewerten. Der Grundgedanke des Achtsamkeits-Trainings ist es, dir dieser Urteile bewusst zu werden und auf sie zu verzichten.
Die Übungen für die zweite Woche:
Du machst weiterhin täglich einen Body Scan und hältst kurz deine Erfahrungen im Tagebuch fest. Du wählst neben der Alltagsaktivität der ersten Woche eine zweite, die du achtsam durchführst. Freue dich beim achtsamen Atmen, wenn du ein Abschweifen deines Geistes bemerkst und lenke deine Achtsamkeit wieder freundlich auf den Atem zurück. Führe in deinem Tagebuch ein Protokoll angenehmer Ereignisse. Mache dir damit bewusst, welche Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen du empfindest, wenn du etwas Angenehmes erlebst.
3. Woche: Achtsam in Bewegung bleiben
Du musst nicht still sitzen, um achtsam zu sein! Diese Woche bietet dir Gelegenheit, Achtsamkeitserfahrungen in der Bewegung zu machen.
Die Übungen der dritten Woche:
Du übst am ersten, dritten und fünften Tag etwa eine halbe Stunde lang achtsames Gehen im Rahmen der Geh-Meditation, und am zweiten, vierten und sechsten Tag der Woche den Body-Scan und dreimal am Tag die dreiminütige Atempause. Das fällt dir wahrscheinlich am leichtesten, wenn du am Anfang der Woche festlegst, zu welchen Zeitpunkten du übst. Führe in deinem Tagebuch ein Protokoll unangenehmer Ereignisse. Schreibe jeden Tag eine Sache auf, die du unangenehm findest. Beachte deine Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen dabei.
4. Woche: Gegenwärtig bleiben
In dieser Woche konzentrierst du dich auf den gegenwärtigen Augenblick. Wie ist er im Vergleich zum Nachdenken über die Vergangenheit oder die Zukunft? Wie wirkt es sich auf deine Gedanken und Gefühle aus, wenn du dich auf das Hier und Jetzt konzentrierst?
Du kannst auf dreierlei Weise auf eine Erfahrung reagieren:
1. Hinwendung zu angenehmen Erfahrungen,
2. Ablehnung unangenehmer Erfahrungen,
3. Gleichgültigkeit gegenüber alltäglichen Erfahrungen.
Das Festhalten angenehmer Erfahrungen löst Angst vor ihrem Verlust aus. Die Ablehnung unangenehmer Erfahrungen führt zu Stress, wenn du eine schlechte Phase durchmachst. Der Autopilotmodus angesichts neutraler Erfahrungen bedeutet, dass du die Wunder des Alltags verpasst.
Konzentriere dich in dieser Woche auf deine Ablehnung unangenehmer Erfahrungen. Wie begegnest du dieser Herausforderung? Läufst du weg? Unterdrückst du diese Gefühle? Bekämpfst du sie? Gibt es auch andere Möglichkeiten? Wie auch immer du dich normalerweise verhältst: Wenn du mehr Achtsamkeit in den Prozess einbringst, entwirren sich deine Reaktionen allmählich. Du beginnst darüber nachzudenken, ob du auf Stress reduzierende statt Stress steigernde Weise auf diese Erfahrungen antworten könntest.
Die Übungen für die vierte Woche:
Am ersten, dritten und fünften Tag übst du 30 Minuten achtsame Bewegungen und danach 15 Minuten achtsames Atmen. Am zweiten, vierten und sechsten Tag übst du die 30minütige Sitz-Meditation. Übe dreimal pro Tag die dreiminütige Atempause. Übe weitere dreiminütige Atempausen, wenn etwas Unangenehmes passiert. Halte in deinem Tagebuch fest, wie sich die Meditation auf deine Erfahrungen auswirkt. Mach dir bewusst, wenn du unter Stress stehst. Wie reagierst du darauf? Mauerst du, gehst du in den Widerstand, unterdrückst du den Stress oder machst du einfach dicht? Mach dir bewusst, was in deinem Körper passiert. Wie wirkt es sich auf deine Reaktion aus, wenn du dich auf das gegenwärtige Problem einlässt?
5. Woche: Akzeptanz
In dieser Woche versuchst du, die Dinge so anzunehmen, wie sie sind, statt sie ändern zu wollen. Wenn dich z.B. jemand nervt, reagiere mal nicht sofort. Lass dich statt dessen einmal auf das Gefühl des Genervtseins ein. Fühle es in deinem Körper und nimm deine automatischen Gedanken wahr. Falls du Kopfschmerzen bekommen solltest: Beobachte, was passiert, wenn du den Schmerz einfach sein lässt, wie er ist. Siehe zu, wie er gleich bleibt, stärker wird oder abnimmt. Wie wirkt es sich auf dein Erleben aus, wenn du unangenehme und angenehme Empfindungen zulässt, annimmst und anerkennst?
Die Übungen der fünften Woche:
Du übst die geführte Sitz-Meditation und achtest drauf, wie du mit Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen reagierst. Notiere deine Beobachtungen in deinem Tagebuch. Weiterhin übst du dreimal pro Tag die dreiminütige Atempause. Außerdem übst du die dreiminütige Atempause, wenn du vor einem Problem stehst. Erkunde dabei deine Gedanken und Gefühle und versuche nicht wie sonst, sie irgendwie loszuwerden.
Kontrolliere Antwort: Wie ist es, in schwierigen Situationen kontrolliert zu antworten, anstatt unkontrolliert auf deine Erfahrung zu reagieren – sei es bei einer Meditation oder im Alltag? Mache dir deine Reaktionen und die Gedanken und Gefühle dahinter bewusst.
6. Woche: Gedanken sind keine Fakten
Shamash Alidina schreibt: „Gedanken sind nur Gedanken, keine Fakten. Gedanken sind mentale Ereignisse.“ Verwechsele deine Gedanken nicht mit absoluten Wahrheiten. Drehe den Spieß um und betrachte die Gedanken als automatische, gelernte Reaktionen. Tritt einen Schritt zurück und setze deine Gedanken nicht mit deiner Person oder der Wirklichkeit gleich. Beobachte, wie sie kommen und gehen.
Die Übungen für die sechste Woche:
Individuelle Übungs-Kombination: Du stellst dir nun deine persönliche Übungs-Kombi zusammen. Kombiniere die Sitz-Mediation, den Body-Scan und achtsame Bewegung und decke so 45 Minuten täglich ab. Du kannst diese Zeit in zwei oder drei Einheiten über den Tag verteilen.
Weiterhin übst du dreimal pro Tag die dreiminütige Atempause und zusätzlich, wenn du dich mit einem Problem konfrontiert siehst. Nimm wiederkehrende Muster wahr und beobachte, wie sich das achtsame Atmen auf den Körper auswirkt. Außerdem übst du nach Möglichkeit einen Tag lang stille Achtsamkeitsmeditation, d.h. du reservierst dir einen Tag für die Achtsamkeit. Dabei gönnst du dir einen ganzen Tag Nichtstun. Damit ist nicht fernsehen oder schlafen gemeint – Shamash Alidina definiert das so: „Mit Nichtstun meine ich das Loslassen des übertriebenen Denkens an die Vergangenheit oder der ständigen Sorgen um die Zukunft – sich sanft im Hier und Jetzt niederlassen.“
7. Woche: Gut für sich sorgen
Deine Aktivitäten haben einen großen Einfluss darauf, wie du dich fühlst. Achte darauf, welche deine Stimmung heben und welche dich erschöpfen. Passe deine Wahl so an, dass du möglichst gut für dich sorgst und dich wohl fühlst.
Die Übungen der siebten Woche:
Du wählst eine formale Achtsamkeitsübung aus, die du gerne machst, z.B. den Body-Scan, die Sitz-Meditation, die Geh-Meditation oder eine Kombination verschiedener Meditationen und übst diese täglich. Du übst die dreiminütige Atempause weiterhin dreimal pro Tag und immer, wenn Probleme auftauchen.
Entwickele zusätzlich ein Stress-Warn-System: Notiere in deinem Tagebuch alle Warnzeichen, die du beobachtest, wenn du unter großem Stress stehst, z.B. aufsteigende Hitze, Nervosität oder Ungeduld. Skizziere einen Aktionsplan, auf den du zurückgreifst, um deine Stressbelastung zu senken, z.B. eine Mini-Meditation, ein Spaziergang oder ein Gespräch mit einer Freundin.
8. Woche: Reflexion und Veränderungen
Manchmal kannst du Probleme nicht lösen und nichts scheint zu klappen. An diesem Punkt erschöpfen dich weitere Versuche nur noch mehr und du entfernst dich eher von einer Lösung. Akzeptiere in diesem Fall daher die Umstände erst einmal, um Gefühle wie Hilflosigkeit und Ohnmacht zu vermeiden. Akzeptanz an sich kann schon eine Veränderung bewirken.
Die Übungen für die achte Woche:
Entscheide, welche formale Achtsamkeitsübung du in dieser Woche machen möchtest und setze deine Entscheidung um. Reserviere am Ende der Woche Zeit für eine Reflexion der vergangenen acht Wochen. Schreibe dein Fazit in dein Tagebuch.
Hilfreiche Fragen:
– Wie hat sich meine Stressbelastung verändert?
– Wie bin ich mit Problemen umgegangen?
– Wie kann ich die Übungen noch besser in mein Leben integrieren?
Selbstlob: Klopfe dir anerkennend auf die Schulter, dass du den Kurs durchgezogen hast. Mach es tatsächlich! Es ist nämlich nicht leicht, neue Gewohnheiten einzuüben, so ernst es dir auch ist. Und denk daran: zur Not ist ein bisschen Achtsamkeit immer noch besser als gar keine Achtsamkeit!
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* Ich beziehe mich dabei auf die Ausführungen im Buch: Shamash Alidina: So leicht geht Achtsamkeit für Dummies, München 2015, verändere diese aber gemäß meiner eigenen Praxis und meiner Arbeit in den Kursen und Einzelstunden.
Bilder: Pixabay