8 Schritte zu einer erfüllten Liebesbeziehung

Über den Mut zur Liebe

In seinem Buch über den Mut schreibt der Psychologe und Psychotherapeut Andreas Dick* in einem wunderbaren Kapitel über die heilende Kraft der Liebe. Zu den vielen Bedeutungen des Begriffs der Liebe schreibt er: „Die höchste und schönste Form der Liebe, die den Menschen zutiefst zu berühren und zu verwandeln vermag, ist die uneigennützige Liebe (…). Diese Liebe ist nicht so sehr ein Gefühl der Zuneigung, sondern Ausdruck des unbedingten Willens, anderen Gutes zu tun. Sie ist geduldig, gütig, tolerant und bescheiden, taktvoll, selbstlos, sanftmütig und vergebend, wahrheitsliebend, vertrauens- und hoffnungsvoll, erduldend und opferbereit.“

Das fünfte Kapitel seines Buches hat die Überschrift „Mutig lieben und sich hingeben“ und Dick steigt ein mit dem Gedanken, dass romantische Beziehungen oft gar nicht so romantisch sind, sondern eher eine Quelle des Leidens darstellen, „weil Verletzungen und Enttäuschungen hier besonders tiefe Wunden hinterlassen“. Das geht so weit, dass gar nicht so wenige Menschen die Faxen vollkommen dicke haben und lieber Single bleiben.

An dieser Stelle lässt sich die Brücke zum Mut schlagen und der Psychologe formuliert das so: „Der Mut und die Liebe bedingen sich gegenseitig. Es braucht die Liebe, um mutig zu sein, denn liebloser Mut ist nichts anderes als Selbstsucht oder Bosheit. Es braucht aber auch den Mut, um zu lieben, denn ohne die Bereitschaft, sich für die geliebte Person einzusetzen, ist Liebe nichts anderes als bequemliches Luststreben.“ Er fügt hinzu: „Für den Mut zur Liebe braucht es die Bereitschaft, das Herz zu erweichen und es verletzbar zu machen.“

Der Mut zur Liebe beruht auf einem Kontakt zu „einer Art liebevollem Zentrum, das zur Verbundenheit und Intimität mit anderen Menschen befähigt. Dieser liebende Kern ist jedoch wegen vergangenen emotionalen Verletzungen oft zugeschüttet. Der Zugang dahin erfordert ein Zulassen und Loslassen von schmerzhaften Gefühlen. Wenn es möglich ist, die eigene Herzensschwere auszuhalten und anzunehmen, kann sich die Liebe wieder von ihren Fesseln befreien und neue Freude ermöglichen. Mut zur Liebe erfordert das Eingehen der Gefahr von (erneuter) Verletzung.“

8 Schritte zu einer erfüllten Liebesbeziehung

Andreas Dick betrachtet die Entwicklung von Liebes- und Beziehungsfähigkeit als psychischen Entwicklungsprozess, in dessen Verlauf mutig bestimmte Hindernisse überwunden werden müssen. Er splittet diesen Prozess in acht Entwicklungsschritte auf:

1. Selbstakzeptanz

2. Vergebung

3. Erotik

4. Herzöffnung

5. Gelassenheit

6. Zwanglosigkeit

7. Eigenraum

8. größtmögliche Liebe

1. Akzeptiere dich selbst und deine Bedürfnisse

Mit dem ersten Punkt ist der Mut gemeint, du selbst zu sein und deine Beziehungswünsche zu akzeptieren. Häufig fangen die Schwierigkeiten hier schon an. Wenn du jahrelang vermittelt bekommen hast, dass du irgendwie falsch bist, ist das Thema Selbstakzeptanz kein Selbstgänger und es erfordert Arbeit, ein positives Selbstbild von dir im Allgemeinen und speziell als Beziehungspartner*in zu entwickeln. Wenn du dich selbst und/oder eine Beziehung nicht attraktiv findest, dann strahlst du das wahrscheinlich auch aus und bekommst das verstärkt zurückgespiegelt. Es kann dann sein, dass du dich lieber in deinem Elfenbeinturm einschließt, dir unbewusst einen völlig unpassende Person aussuchst, zu übermäßig anklammerndem und ängstlichen Verhalten in Beziehungen neigst oder vor lauter Angst und Unsicherheit kalt und abweisend wirkst. Andreas Dick schreibt: „Es führt leider kein Weg daran vorbei: Um eine befriedigende Liebesbeziehung eingehen zu können, braucht es ein gewisses Ausmaß an gesunder Selbstliebe.“ Es braucht den Mut, du selbst zu sein.

2. Vergib deinen vergangenen Beziehungspartnern

Der zweite Punkt beschreibt den Mut, sich aus Abhängigkeiten zu lösen und vergangenen Beziehungspartnern zu vergeben. Früher oder später erleben die meisten von uns Enttäuschungen in der Liebe. Manchmal kommen wir gut darüber hinweg, schöpfen neue Hoffnung und finden jemanden, der/die besser passt. Manchmal gehen die Verletzungen und Schmerzen aber so tief rein, dass wir uns nicht davon lösen können und unfrei für eine neue Beziehung sind. Die unschönen Gefühle über das erfahrene Unrecht oder unerklärliche Verhaltensweisen des ehemaligen geliebten Menschen machen es unmöglich, unser Herz wieder zu öffnen. Dann ist es notwendig, die Enttäuschung loszulassen und die alten Geschichten abzuschließen. „Dazu braucht es den Mut, sich aus Abhängigkeiten zu lösen. Die größte Wirksamkeit entfaltet die Loslösung, wenn es möglich ist, den vergangenen Beziehungspartnern zu vergeben im Wissen darum, dass man selten nur Opfer und der andere ausschließlich Täter ist. Wenn es gelingt, den ehemaligen Partner so zu akzeptieren, wie er ist, und ihm für das Unrecht, das er einem angetan hat, aus freien Stücken zu vergeben, wird dadurch eine hervorragende Grundlage gelegt, um sein Herz weit zu machen, so dass schließlich jemand, der es besser verdient, darin Platz finden kann.“

3. Freue dich an deiner sexuellen Präsenz

Der dritte Punkt bezieht sich auf den Mut zur eigenen Sexualität und Sinnlichkeit. Erotik ist eine starke Kraft, die zwei Menschen magnetisch zueinander hinziehen kann. „Eine befreite Sexualität ist zwar noch keine Garantie für eine befriedigende Partnerschaft, aber wenn sie fehlt, steckt doch irgendwie der Wurm in der Beziehung drin. Die Zufriedenheit mit der Partnerschaft oder Ehe weist denn auch einen entsprechend hohen Zusammenhang auf mit der Qualität der sexuellen Beziehung.“ Insgesamt wirkt eine Person, die sich ihrer erotischen Präsenz bewusst ist und sich ihrer erfreut, wesentlich anziehender als eine, die diese unterdrückt oder verurteilt. Wenn du dich und deinen Körper liebst und dir deiner Sinnlichkeit bewusst bist, strahlst du i.d.R. eine große bis unwiderstehliche Lebensenergie aus, die andere anzieht. „Eine befreite und selbstbewusste Erotik bedeutet nun nicht, dass sich alles um Sex dreht. Im Gegenteil, zwanghafte Sexualität ist oft Ausdruck von Selbstablehnung und einer gehemmten, als schuldhaft erlebten Erotik. Zur Akzeptanz der eigenen Sexualität und zum Ausdruck der erotischen Energie braucht es Mut, besonders weil wir in einer Gesellschaft leben, in der die Sexualität zwischen rücksichtslosem Ausleben und verklemmter Schamhaftigkeit hin- und herschwankt.“

4. Öffne dein Herz

Mit dem vierten Punkt ist der Mut gemeint, dein Herz auf Empfang einzustellen und dich einer anderen Person hinzugeben. Wenn du dein Herz für jemanden öffnest, wirst du wohl kaum in einer oberflächlichen, rein sexuellen Beziehung mit diesem Menschen verbleiben. Vielmehr ziehst du sehr wahrscheinlich solche Menschen an, die auf deine Herzens-Energie reagieren und positiv mit ihr in Resonanz gehen. Dazu brauchst du ein freies Herz, das nicht mehr an einer Ex-Beziehung festhängt. Mit einem offenen Herzen auf eine andere Person zuzugehen bedeutet, dass du dieser die Chance gibst, in dein Herz hineinzukommen. Dabei kann es sinnvoll sein, dein Herz erst langsam zu öffnen, „um vorsichtig festzustellen, ob der andere Mensch die Zuneigung auch wirklich verdient. Doch ohne den Mut, sich jemandem hinzugeben, kommt es nicht zu einer beglückenden Liebesbeziehung.“

5. Bleib ganz gelassen

Der fünfte Punkt beschreibt den Mut zur Gelassenheit, indem du die andere Person so siehst, wie sie ist. Das kann zur Not auch bedeuten, auf diese Partnerschaft verzichten zu können. Gerade in der Anfangsphase einer Liebesbeziehung treten oft alte Ängste auf, wenn es ernster wird. Dabei stehen u.a. Fragen im Raum, ob es nur um Sex oder die Schokoladenseite geht und welche Erwartungen es im Hintergrund gibt. Bei all diesen Unsicherheiten ist es hilfreich, Gelassenheit zu üben. „Auf eine Partnerschaft bezogene Ängste wirken manchmal leider als sich selbst erfüllende Prophezeiung, weil dann nicht selten entweder ein ängstlich-anklammerndes oder ein übervorsichtig-vermeidendes Verhalten die Folge ist, was aufkeimende Gefühle und gegenseitige Sympathien erschwert oder gar verunmöglicht. In dieser Phase des Kennenlernens geht es im Grunde wieder um das Gleiche wie beim ersten Schritt: Wer den Mut aufbringt, sich selbst möglichst bedingungslos zu akzeptieren, fürchtet sich nicht vor negativen Reaktionen der Person, für die man sich interessiert. Entweder wird dieser Mensch meine Qualitäten erkennen und schätzen – oder dann ist das nicht die richtige Person für mich. Eine solche zuversichtliche und selbstbewusste Einstellung verhilft zu Gelassenheit. Sie schließt aber auch den Mut mit ein, den anderen so zu sehen, wie er wirklich ist, sowie den Mut, auch alleine sein zu können und nicht um jeden Preis eine Partnerschaft eingehen zu müssen.“

6. Zwinge den Partner nicht, sich zu verändern

Beim sechsten Punkt geht es um den Mut, die andere Person so zu akzeptieren, wie sie ist, ohne sie verändern zu wollen. In der ersten Verliebtheitsphase erscheint die andere Person wie Mrs oder Mr Perfect, nach der/dem wir schon immer gesucht haben. Nach einer Weile tritt dann aber eine gewisse Ernüchterung und Enttäuschung ein und wir entdecken allmählich die Macken. Dann wird es schwierig und es „kann so weit gehen, dass wir es uns überhaupt nicht mehr vorstellen können, weiter mit dieser Person zusammen zu sein, wenn er oder sie nicht ernsthaft bereit ist, sich zu verändern.“ Dieser Wunsch, die andere Person zu verändern, ist ebenso kontraproduktiv wie wenig Erfolg versprechend, weil sie die andere Person nicht wertschätzt und einengt. „Es ist gewiss nicht falsch, Wünsche an den Partner zu richten, doch wenn sich in der Beziehung ein verdeckter oder offener Zwang einstellt, dann ist das meist der Anfang vom Ende. Menschen lassen sich nicht durch Zwang und Druck verändern. Eine wirklich produktive Veränderung an einer Person tritt paradoxerweise erst dann ein, wenn wir diesen Menschen mit all seinen Stärken und Schwächen liebevoll annehmen.“

7. Bewahre dir deinen Eigenraum

Der siebte Punkt beschreibt den Mut, dir deinen Eigenraum zu bewahren und eine gute Balance zwischen Abgrenzung und Hingabe zu finden. „Eine dauerhafte Liebesbeziehung erfordert eine gute Balance zwischen Gemeinsamkeit und Nähe einerseits und persönlichen Eigenräumen und Abgrenzung andererseits. Manchmal besteht die Gefahr, dass man sich in einer Beziehung zu sehr nur noch als die eine Hälfte eines Paares erlebt, statt dass die Partnerschaft lebendig und spannend gehalten wird, indem auch immer wieder eine erquickende Distanz möglich ist. Eine Partnerschaft erfordert es nicht, dass man einander immer ähnlicher wird und Eigenes zunehmend verliert.“ Es handelt sich also vielmehr um „ein belebendes und stets aufs Neue erotisierendes Spiel zwischen Abgrenzung und Hingabe.“

8. Wähle stets die größtmögliche Liebe

Beim achten Punkt schließlich geht es um den Mut, stets die größtmögliche selbstlose Liebe zu zeigen. „Das klingt ganz einfach, ist aber sehr schwierig. Wenn es in einer Beziehung beiden Partnern gelingt, auf diese Weise miteinander umzugehen, dann ist eine ständige gemeinsame Weiterentwicklung möglich über alle Höhen und Tiefen hinweg. (…) Partnerschaften sind Liebesschulen, und wie in jeder Schule gibt es immer mal wieder eine Prüfung. Die Prüfung in einer Partnerschaft wird bestanden, wenn beide Partner den Mut besitzen, die größtmögliche Liebe zu zeigen. Wem die selbstsüchtige Eigenliebe wichtiger ist, fällt durch.“

Das ist also der Mut zur Liebe. So einfach und gleichzeitig so herausfordernd und oftmals erschütternd. So schöne, verbindende und verschmelzende Momente und dann wieder Loslösung, Abgrenzung, Rütteln und Schütteln an den Grundfesten der eigenen Erfahrungen, Glaubenssätze, Persönlichkeitseigenschaften bis an die Schmerzgrenze und oftmals auch darüber hinaus. Drunter geht es nicht. Das ist der Preis. Aber es lohnt sich, denke ich. Immer noch. Immer wieder.

Glückauf!

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*Andreas Dick: Mut. Über sich hinauswachsen. Bern 2010

Fotos: Pixabay

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