Vertrauen und Einsicht – die 5 Fähigkeiten
Genauso wie es einen Zusammenhang zwischen Vertrauen und Vertrautheit gibt, gibt es einen Zusammenhang zwischen Vertrauen und Einsicht.
Sylvia Wetzel* schreibt: „Im Buddhismus gibt es eine beliebte Unterweisung, die den Zusammenhang von Vertrauen und Einsicht betont und Anregungen zu ihrer Entfaltung gibt. Da geht es um die fünf Fähigkeiten, die allen Menschen zur Verfügung stehen und die durch gezieltes Üben, durch Interesse und Wertschätzung zu unerschütterlichen Kräften werden können.“
Die fünf Fähigkeiten sind:
1. Achtsamkeit,
2. Energie,
3. Sammlung,
4. Vertrauen und
5. Einsicht.
Achtsamkeit erlaubt uns,
die beiden Paare Energie und Sammlung (oder Konzentration) und
Vertrauen und Einsicht zu erkennen und in eine angemessene Balance zu bringen.
Positive Qualitäten beruhen nicht auf einer einzigen wunderbaren Fähigkeit, „sondern auf der je spezifischen und dynamischen Balance zwischen zwei positiven Qualitäten.“ Sie können in ihr Gegenteil umschlagen, wenn eine der beiden Fähigkeiten fehlt.
1. Achtsamkeit
„Achtsamkeit gilt als die Königin aller guten Fähigkeiten, denn sie ermöglicht uns, freundlich und aufmerksam Erfahrungen von Körper, Rede und Geist immer genauer zu bemerken und uns daran zu erinnern, was hilft und heilt, und zwar uns und andere. Wenn wir in der Lage sind, bestimmte Körperempfindungen, emotionale Reaktionen und Ansichten zu bemerken, können wir sie eine Weile beobachten und dann prüfen, ob sie heilsam oder förderlich sind oder nicht. Sind sie heilsam, können wir Bedingungen suchen und schaffen, die sie unterstützen, und wenn sie unheilsam sind, suchen oder schaffen wir Bedingungen, die sie verringern oder ganz stoppen. Das ist die allgemeine Empfehlung für alle Erfahrungen, die uns bewusst werden“.
Die gute Nachricht dabei ist, dass es sich bei diesen heilsamen Fähigkeiten nicht um irgendwelche magischen Kompetenzen geht, die wir uns mühevoll antrainieren müssen. Vielmehr sprechen wir hier von Möglichkeiten, die bei allen Menschen prinzipiell vorhanden sind.
Und es geht um eine spezifische Balance zwischen zwei Fähigkeiten:
Energie und Sammlung sind das eine und Vertrauen und Einsicht das zweite Paar.
Mit Hilfe von Achtsamkeit können wir das Zusammenspiel von jeweils zwei unterschiedlichen Fähigkeiten beobachten und sie in ein Gleichgewicht bringen. Dabei geht es allerdings nicht um eine statische, sondern um eine dynamische Balance – ein dynamisches Gleichgewicht, das je nach Situation anders aussehen kann.
Kurz zusammengefasst:
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Achtsamkeit heißt, zu bemerken, was geschieht und zu erinnern, was heilt.
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Mit Achtsamkeit lernen wir, die vier Bereiche unser Erfahrungen zu bemerken: Körperempfindungen, Grundgefühle und emotionale Reaktionen, Grundstimmungen sowie Gedanken – und das Beste daraus zu machen, für uns und andere.
2. Energie und 3. Sammlung
Auch der Ausgleich von Energie und Sammlung wirkt sich in allen Dimensionen auf unser Vertrauen aus, und dann auf Vertrauen und Einsicht. Wenn wir etwas tun wollen, dann brauchen wir sowohl Energie als auch Sammlung/ Konzentration/ Ausrichtung auf das, was wir tun wollen.
Wenn wir viel Energie und wenig Sammlung haben, sind wir eher zerstreut und unruhig.
Wenn wir wenig Energie und eine starke Sammlung haben, verlieren wir uns schnell in Einzelheiten und/oder werden müde.
Nur wenn Energie und Sammlung in einem angemessenen dynamischen Gleichgewicht sind, können wir mit Hingabe (Sammlung) und Ausdauer (Energie) unsere Aufgaben erledigen.
Wenn die Energie nachlässt, können wir sie manchmal wieder wecken durch eine starke Motivation.
Wenn unsere Motivation (Sammlung) schwächelt, kann uns bisweilen die pure Freude am Tun (Energie) helfen, die Sache zu einem guten Ende zu bringen.
Beide Fähigkeiten hängen zusammen.
Eine starke Ausrichtung (Sammlung) weckt Energie, und wenn wir uns gesund und kraftvoll fühlen (Energie), können wir mehr tun als wenn wir uns krank und schlapp fühlen.
Wir brauchen beides, Energie und Sammlung.
Als Energiequelle gilt die Freude am Tun.
Als Bedingungen für Sammlung gelten eine klare Motivation bzw. klare Prioritäten.
Freude am Tun und eine klare Motivation schenken uns Selbstvertrauen und eine unspezifische Zuversicht, die auch als ein Aspekt tiefen Vertrauens in das Leben interpretiert werden kann.
Kurz zusammengefasst:
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Mit etwas Sammlung können wir unsere Energie auf ein Anliegen ausrichten.
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Wir können uns leichter auf eine Sache konzentrieren, wenn sie uns am Herzen liegt.
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Je klarer unsere Motive sind, desto leichter können wir uns ausrichten.
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Energie entsteht durch Freude an dem, was wir tun.
4. Vertrauen und 5. Einsicht
Auch die beiden Fähigkeiten Vertrauen und Einsicht stehen prinzipiell allen Menschen zur Verfügung. Wir können sie gezielt fördern, indem wir Bedingungen suchen und schaffen, die sie stärken. Es gibt einen Ansatz, der drei Arten des Lernens betont, die drei Arten des Vertrauens stärken.
Zusammengefasst besagt er Folgendes:
1. etwas Neues kennenlernen führt zu kindlich-naivem Vertrauen
2. gründliches Überprüfen mit Hilfe der eigenen Lebenserfahrung führt zu
vernünftigem Vertrauen und
3. das Hinterfragen aller Ansichten und Meinungen führt zu unerschütterlichem Vertrauen.
7 Schritte zu unerschütterlichem Vertrauen
1. Existenzielles Fragen
2. Individualisierung
3. Mitgefühl
4. Verinnerlichung des spirituellen Weges
5. ein neues Verständnis von Wahrheit
6. Seelenfrieden als Ziel
7. Überschreiten des Denkens und der Zugang zum Nichtbedingten
Übung: Prioritäten klären
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Schreibe einmal 10 Dinge auf, die dir wirklich am Herzen liegen.
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Schreibe dann 10 Dinge auf, mit denen du dich in den letzten Tagen und Wochen überwiegend beschäftigt hast.
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Wenn die beiden Listen viele Übereinstimmungen aufweisen, bist du vermutlich ziemlich zufrieden mit deinem Leben.
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Haben sie wenig miteinander zu tun, entstehen vermutlich Unruhe und Druck oder auch Lustlosigkeit, Antriebsschwäche oder Langweile.
Bedingungsloses Vertrauen ins Leben
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Leben ist unendlich viel mehr, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt.
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Wir können dem Leben vertrauen, das wir nie völlig verstehen können.
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Dieses bedingungslose Vertrauen nennt der Buddhismus Weisheit.
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Man kann es auch qualifiziertes Nichtwissen nennen.
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*zusammengefasst nach Sylvia Wetzel: Vertrauen. Finden, was mich wirklich trägt. München 2015
Foto: Pixabay