Dynamische Entspannung

Warum ein Buch über dynamische Entspannung in einem Psychotherapie-Blog?

Neulich ist mir auf einer Fortbildung über „Bewegtes Mentaltraining“ (wieder) klar geworden, welch riesengroßen Einfluss unser Gehirn und unser Nervensystem auf unser Wohlbefinden haben und wie einfach es ist, sie positiv zu beeinflussen. Hier nun das Buch zum Thema:

 

Peter Bergholz

Dynamische Entspannung.

Innere Ruhe und Stärke durch die Kraft der Bewegung.

München 2012

 

Der Autor

Peter Bergholz ist Diplompsychologe sowie Familien- und Verhaltenstherapeut. 14 Jahre lang leitete er eine große evangelische Lebens- und Erziehungsberatungsstelle bei Hamburg. Anschließend gründete er 1993 das Zentrum für Stresslösung im Odenwald. ´Mache die Dinge so einfach wie möglich, aber nicht einfacher.` Dieses Zitat von Albert Einstein wurde sein Leitmotiv bei der Suche nach neuen Selbsthilfeansätzen, die auch eher skeptische Menschen ansprechen. Die Entstehungsgeschichte der Dynamischen Entspannung geht bis in die achtziger Jahre zurück, als eine langjährige Zusammenarbeit mit Gerda Boyesen begann. Die Begründerin der Biodynamischen Psychotherapie erkannte sehr früh die Bedeutung der positiven Emotionen für alle Lebensbereiche. Peter Bergholz konnte die Dynamische Entspannung seitdem in vielen Gruppen erproben und weiterentwickeln.“

 

Der Klappentext

Das optimale Multimedia-Paket zum Üben für zu Hause

Entspannung in Bewegung

  • Anspannen und loslassen wie bei der Progressiven Muskelrelaxation (PMR) – aber dynamisch-bewegt. Mitten in den Alltag hinein!

  • Kleine, wohltuende Bewegungen der Gelenke führen unmittelbar in den ´inneren Einklang`, den Glücks-Flow.

  • Auf der CD: 6 Programme von 5 bis 20 Minuten mit motivierender klassischer Musik, die Sie beschwingt entspannen lassen und neue Energie schenken.“

 

Die Dynamische Entspannung

Peter Bergholz schreibt davon, dass Entspannung Not tut, weil immer mehr Menschen nach einem Weg aus dem Stress suchen. Viele kennen die Progressive Muskelrelaxation (PMR) nach Jacobson, suchen aber nach etwas, das dynamischer ist und unmittelbar im Alltag angewendet werden kann.

Hier setzt die Methode der Dynamischen Entspannung an. Sie ist im Grunde genommen eine sehr einfache Technik, die in wenigen Wochen gelernt werden kann. Bergholz beruft sich dabei auf einen Satz des amerikanischen Psychologen Daniel Kahnemann: „Glück erlebt man in Momenten, in denen man seine Aufmerksamkeit auf etwas Angenehmes richtet.“

Diese prägnante Formel sei tatsächlich die Essenz dessen, was die Wissenschaften in den letzten Jahren zum Thema dem-Stress-gegensteuern zusammentragen konnten. Das bedeutet nach Bergholz: „Der Einzelne wird den Stress dieser Welt nicht abschaffen können. Und es macht auch wenig Sinn, darüber zu klagen. Aber jeder Einzelne hat die Möglichkeit, sich zu schützen, denn der Mensch besitzt die Fähigkeit, sich selbst in nahezu jeder Situation Glücksmomente zu verschaffen.“

Diese Glücksmomente blockieren jene Prozesse im Gehirn, die innere Unruhe, Ängste und andere negative Reaktionen auslösen. Deshalb brauchen Körper, Seele und Geist immer wieder diese kleinen Glücksmomente viel dringender als die klassischen Ziele Attraktivität, Erfolg und Macht. Wer gesund bleiben oder werden und seine physischen und psychischen Widerstandskräfte stärken will, braucht mehr als das.

Nur das, was uns im Inneren wirklich berührt, kann uns nachhaltig stärken“, schreibt der Psychologe. Der Satz von Kahnemann sei „im Grunde die perfekte Anleitung, um zu finden, was wir alle suchen: erfüllende Beziehungen, Wertschätzung, Erfolgserlebnisse und Sinn in dem, was wir tun. Wenn das gelingt, werden wir nie mehr unter Stressstörungen leiden.

Gewiss, es gibt immer wieder anstrengende Tage, aber sie hinterlassen keine bleibende Spuren. Der zufriedene Organismus erholt sich sehr schnell. Und der glückliche Körper hilft dabei.“

 

Einklangsbewegungen

Die Dynamische Entspannung basiert auf sogenannten Einklangsbewegungen. Teste einfach mal die Wirkung – auch wenn du gerade vor dem Rechner sitzt oder mit dem Phone in der Hand in der Gegend herumstehst; zu Hause funktioniert es ebenso im Sitzen oder Liegen:

Beginne, den Kiefer ganz leicht zu bewegen. Das können Minibewegungen sein, die niemand mitbekommt. 20 bis 30 Sekunden lang. Dann bewegst du deine Hände dazu, ganz leicht und fein. Schließlich lässt du Kiefer und Hände eine gemeinsame Bewegung finden. Bringe beide in eine angenehme Kommunikation miteinander, in einen Einklang.

Du wirst sofort eine Wirkung verspüren. Diese Bewegungen aktivieren nämlich in deinem Gehirn positive Impulse, die das Nervensystem unmittelbar beruhigen und anregen. Sobald du deine Aufmerksamkeit auf diese kleinen Bewegungen richtest, stoppen belastende Gedanken und Gefühle. Das ist ein ganz natürlicher Prozess: Wo etwas Positives entsteht, weicht Negatives.

 

Ziele

Die Dynamische Entspannung verfolgt folgende Ziele:

  • auch im größten Stress locker bleiben

  • gute Gefühle zurückholen

  • negative Gedanken stoppen, positive Gedanken stärken

  • ohne äußeren Anlass glücklich sein

  • morgens gut gelaunt aufstehen

  • dem Leben eine neue Richtung geben

  • angstfrei unterwegs sein

  • seelische Wunden heilen

  • Spannungsschmerzen loswerden

 

Die magische 28

Peter Bergholz schreibt: „Die Hirnforschung entdeckte gerade ein hochinteressantes Phänomen: Das Hirn nimmt 21 Tage lang Input auf und beginnt erst dann mit der Bildung neuer Nervenzellen. Veränderungen erfordern also einen etwas längeren Atem, ansonsten ist ein Scheitern vorprogrammiert. Das Nervensystem braucht diese 21 Umstellungstage, um in den anschließenden sieben Veränderungstagen endgültig neue Reaktionsmuster zu entwickeln.“ Dann wirst du deutliche Fortschritte verspüren können. Rechne also mit 28 Tagen als Minimalprogramm. Danach genügen sporadische Auffrischungen.

Da unser Gehirn 21 Tage lang einen Widerstand gegen Veränderungen aufbaut, braucht es vier Zutaten fürs Gelingen:

1. Motivation, etwas zu verändern.

2. Begeisterung, also starke positive Emotionen.

3. Die Unterstützung durch ein positives Körpergefühl, damit sich positive Emotionen

überhaupt aktivieren können.

4. Das Gehirn braucht Anknüpfungspunkte, damit die Gefühle den richtigen Weg

finden, sogenannte somatische Marker. Das sind positive Erfahrungen, die im

Körpergedächtnis gespeichert sind. Diese verkörperten Erinnerungen spielen in der

Dynamischen Entspannung eine große Rolle.

 

Das Buch

Das Buch besteht aus drei Teilen:

Auf den ersten rund 25 Seiten führt Peter Bergholz in die Dynamische Entspannung vor dem Hintergrund der Funktionsweise des Nervensystems ein und gibt allgemeine Tipps fürs Üben.

Auf den folgenden rund 50 Seiten beschreibt der Autor im Detail die verschiedenen Übungen, die er Reisen nennt, und die sich praktischerweise auch auf der Übungs-CD befinden.

Zum Abschluss finden sich zum Nachschlagen noch ein Sachregister und eine Liste von Büchern und Adressen, die weiterhelfen.

(Demnächst werde ich übrigens auch das Vorgänger-Buch von 2003 hier vorstellen – Gerda Boyesen & Peter Bergholz: Dein Bauch ist klüger als du.)

 

Musik und Bewegung

Musik

Die besondere Stärke dieser Methode ist die Unterstützung mit eingängiger Musik. Die Mischung aus positiven Bewegungen, Musik und schönen Körpergefühlen hat eine starke Wirkung. Das macht Spaß und motiviert zum Weitermachen. „Seit Jahrtausenden nutzen Menschen die Kraft von Bewegung und Musik zur Heilung, zur Beruhigung und zur inneren Stärkung.“ Sie ist ein Mittel, das „immer und jedem hilft“.

Bewegung

  • fördert Heilungsprozesse, kann motivieren und beruhigen

  • löst Ängste und auch hartnäckige Stressspannungen

  • kann negative Gedanken stoppen und positive stärken

  • führt unser Bewusstsein auf höhere Ebenen, auf denen sich der Sinn unseres Daseins erschließt.

 

Die CD

Auf der CD findest du sechs „Reisen“, die von Musik unterstützt werden:

1. Kiefer-Musik-Training: „Ich fühle mich wie Gott in Frankreich.“

2. Entspannung der Hotspots: „Ich bin der Dirigent meines Lebens.“

3. Nimm-2-Training: „Ich bin ich – und das ist gut so!“

4. Blaue Reise in den inneren Einklang: „So, wie es ist, ist es richtig.“

5. Rote Reise in den inneren Einklang: „Ich mache es, ich schaffe es, es wird gelingen!“

6. Bewegtes Mentaltraining: „Das nächste Mal sage ich Nein!“

 

Die sechs Übungen führen dich zu verschiedenen Zielen:

Die erste lässt dich in knapp vier Minuten den Schlüssel für jede Entspannung entdecken: einen lockeren Kiefer.

Bei der zweiten Reise stärkst du Zuversicht und Selbstvertrauen mit Hilfe des Nervensystems. Du entspannst und belebst dafür in gut acht Minuten sieben besondere Gelenke, die „Hotspots“: Kiefer, Schultern, Ellenbogen, Hände, Becken, Knie und Füße.

Die sanften, weichen Einklangsbewegungen der dritten Übung versetzen den Organismus in gut acht Minuten in gute Stimmung. Innerer Druck und Stressgefühle lösen sich auf.

Bei der blauen Reise findest du in knapp 21 Minuten auf ruhige und meditative Weise in einen wunderbaren Zustand des inneren Einklangs, fühlst dich zufrieden, erfüllt und einverstanden mit deinem Leben.

Die rote Reise ist aktiver, rhythmischer und kürzer (gut 16 Minuten). Du spürst innere Begeisterung und Lust aufs Tun. Auch so fühlt sich innerer Einklang an.

Die letzte Reise ist ein Beispiel für die Kraft der positiven Psychomotorik: Einfach deutlich Nein zu sagen soll mit Hilfe dieser Übung von Mal zu Mal leichter werden.

Die Bewegungen basieren auf einem natürlichen Selbstregulations-Mechanismus, über den nach Bergholz jeder Mensch verfügt, nämlich die positive Psychomotorik. Mit der Dynamischen Entspannung kannst du wieder die Fähigkeit lernen, dich aus jeder Situation heraus – wenn du es brauchst – in den inneren Einklang hineinzubewegen, diesen Zustand genussvoll auszukosten und nach einer guten Weile wieder kraftvoll durchzustarten.

 

Das Nervensystem

Mit den sechs Übungen der Dynamischen Entspannung verankern sich die Einklangsbewegungen im Körpergedächtnis und es fällt dir immer leichter, auf sie zurückzugreifen, da sich diese Prozesse verselbständigen.

Peter Bergholz erklärt die enorme Wirkung dieser Bewegungen damit, dass mit ihnen gezielt der Parasympathikus aktiviert wird. Der Parasympathikus „ist die Instanz des Nervensystems, die für Beruhigung, Entspannung, Sammlung und gute Gefühle zuständig ist. Der Parasympathikus arbeitet unbewusst und lässt sich deshalb in der Regel nicht mit unserem Willen steuern. Die Ausnahme bilden Menschen, die sich intensiv mit Meditationen und anderen geistigen Praktiken beschäftigen. Ihnen kann tatsächlich ein rein mentaler Zugang zum Unbewussten gelingen (…). Aber nicht jeder will täglich stundenlang meditieren. (…) Wer es also gedanklich nicht schafft, dem gelingt es mit den Einklangsbewegungen, den Parasympathikus gezielt zu aktivieren. Oder mit speziellen Massagepraktiken. Die bereits erwähnte Physiotherapeutin und Psychologin Gerda Boyesen hat auf diesem Gebiet vor 50 Jahren Pionierarbeit geleistet.“

Wenn du dich nicht wohlfühlst, den Druck im Bauch nicht los wirst, schnell müde wirst oder mit anderen Stressfolgen zu tun hast, „dann rebelliert nicht die Psyche, wie man bislang dachte, sondern das Nervensystem. Die große Bedeutung des Nervensystems wurde erst in den letzten Jahren so richtig erkannt.“

Bergholz führt weiter aus: „Das Nervensystem besteht aus zwei Teilen (…), die durch ihr Zusammenspiel immer wieder für ein Gleichgewicht im Organismus sorgen. Es sind Sympathikus und Parasympathikus.

Der Sympathikus ist der Aktivierer, er fährt die Energie des Körpers hoch und bereitet ihn auf Herausforderungen vor, mobilisiert Motivation, Kraft und Durchhaltevermögen.

Der Gegenspieler ist der Parasympathikus, der innere Entspanner, die beruhigende Instanz in unserem Nervensystem. Er aktiviert Prozesse von Regeneration, Verdauung und neuem Energieaufbau.

Man muss sich den Parasympathikus als ein Bündel von Nervenleitungen vorstellen, das den Körper durchzieht, um die Muskulatur und die inneren Organe zu entspannen. Er fördert nicht nur das körperliche, sondern auch das seelische Verdauen. Er beruhigt, weitet und löst.“

Peter Bergholz vergleicht die Funktion des Nervensystems mit einer Welle: Mal dominiert der Sympathikus (diesem gibt er die Farbe rot) , mal der Parasympathikus (dem er die Farbe blau zuordnet). „Je stärker und gleichmäßiger die Welle schwingt, desto besser geht es uns – denn beide Aspekte sind für unser Wohlbefinden notwendig, sowohl Anregung als auch Entspannung.“ „Wir sind motiviert und erbringen Leistungen, erholen uns danach und genießen die Früchte der Anstrengungen. Das Nervensystem braucht beides, Stimulation und Loslassen. Das eine funktioniert nicht ohne das andere.

In Stresszeiten aber dominiert der Sympathikus. Dann übernimmt er die Herrschaft, befeuert jede Zelle und lässt dem Menschen keine Ruhe. Und wenn sich dieser Zustand verselbständigt, können wir nicht mehr abschalten.“

Es ist auch nicht möglich, sich im Voraus zu entspannen. Die einzig sinnvolle Strategie ist die Aktivierung des Parasympathikus. „Aber die Sache hat einen Haken. In Stresszeiten, wenn der Sympathikus den Raum einnimmt, findet der Parasympathikus keinen Spielraum mehr (…). Deshalb spüren wir uns in solchen Zeiten ja auch so wenig (…). Wir übergehen die Bedürfnisse nach Innehalten und Loslassen, nach schöner Musik und ereignislosen Stunden.

Leider führt der Parasympathikus ein eigenes Leben. Er arbeitet weitgehend unbewusst und macht, was er will. Er lässt sich nicht drängeln und nichts befehlen. Er muss eingeladen werden!“

Das kann mit der Dynamischen Entspannung gelingen. Du kannst dir damit den Parasympathikus zum Freund und ständigen Begleiter machen und es wird dir immer leichter fallen, das Nervensystem in einen optimalen Zustand, in den inneren Einklang, zu versetzen. Der innere Einklang ist ein biologisches Phänomen; eine besondere Harmonie des Nervensystems durch die Aktivierung des Parasympathikus. Er verschafft Wohlbefinden und reduziert den Blutdruck und andere Spannungszustände, verhilft tagsüber zu besserer Konzentration und in der Nacht zu besserem Schlaf, baut Stress und Müdigkeit ab, beseitigt Angstgefühle und beugt Depressionen vor und verlangsamt den Alterungsprozess.

 

Mein Selbstversuch

Diese Fortbildung und dieses Buch sind nicht die ersten Impulse, die ich in meinem Leben in Richtung dynamischer Entspannung mit gezielter Harmonisierung und Stärkung des Nervensystems bekomme. Bisher habe ich aber nie so richtig die Kurve gekriegt. Als ich während der Fortbildung zum Abschluss jeder Übung allerdings merkte, dass mir das richtig Spaß gemacht hat und ich es schade fand, als sie endete, dachte ich: „Hey, das solltest du wirklich mal 4 Wochen ausprobieren!“ Wie eigentlich immer kam die ersten Tage danach etwas dazwischen. Dann habe ich mir aber das Buch mit der CD besorgt und 28 Übungstage in meinem Kalender notiert. Deshalb gibt es heute nicht die übliche Meinung zum Buch, sondern demnächst eine Art Tagebuch zu meinem Selbstversuch!

_________________________________________________________________________________________

Bild: Pixabay

Schreibe einen Kommentar

*

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen