Joseph von Eichendorff – Mondnacht

 

Es war, als hätt der Himmel
die Erde still geküsst,
dass sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
die Ähren wogten sacht,
es rauschten leis die Wälder,
so sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.

Gedicht zu Weihnachten 2023

Weihnachten

 

Zeit der besonderen Schmerzen,

der stechenden Einsamkeit für viele,

Zeit, in der die eigene Leere auftaucht

wie ein Gespenst

und Kerzen und Atmosphäre

sie nicht zudecken können.

Gesucht sind da Menschen,

wie du und ich,

die Hoffnung haben,

die Wärme verbreiten können,

die echtes Interesse am andern haben

und glauben,

dass Gott sich dem Menschen zuwendet

in Liebe,

schon immer

und gerade jetzt.

 

(Ulrich Schaffer)

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Foto: Pixabay

 

Gedicht zum Winteranfang 2023

Ein milder Wintertag

 

An jenes Waldes Enden,
wo still der Weiher liegt
und längs den Fichtenwänden
sich lind Gemurmel wiegt;

wo in der Sonnenhelle,
so matt und kalt sie ist,
doch immerfort die Welle
das Ufer flimmernd küsst.

Wenn ich den Mantel dichte
nun legen übers Moos,
mich lehnen an die Fichte
und dann auf meinem Schoß.

Gezweig‘ und Kräuter breiten,
so gut ich’s finden mag:
Wer will mir’s übel deuten,
spiel ich den Sommertag?

Und hat Natur zum Feste
nur wenig dargebracht:
Die Luft ist stets die beste,
die man sich selber macht.

(Annette von Droste-Hülshoff)

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Foto: Pixabay

 

Gedicht zum Herbstanfang 2023

Blätter

Die Blätter fallen,
fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

(Rainer Maria Rilke, 1875 – 1926)

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Foto: Pixabay

Gedicht zum Sommeranfang 2023

Im Juni

 

Die Zeit geht mit der Zeit: Sie fliegt.
Kaum schreibt man sechs Gedichte,
ist schon ein halbes Jahr herum
und fühlt sich als Geschichte.

Die Kirschen werden reif und rot,
die süßen wie die sauern.
Auf zartes Laub fällt Staub, fällt Staub,
so sehr wir es bedauern.

Aus Gras wird Heu. Aus Obst Kompott.
Aus Herrlichkeit wird Nahrung.
Aus manchem, was das Herz erfuhr,
wird, bestenfalls, Erfahrung.

Es wird und war. Es war und wird.
Aus Kälbern werden Rinder
und, weil´s zur Jahreszeit gehört,
aus Küssen kleine Kinder.

 

(Erich Kästner)

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Foto: Pixabay

 

Gedicht zum Jahreswechsel 2022

Wir haben nur diesen Moment

 

Komm,

wir wollen die Zeit anhalten,

hier und jetzt sein.

Von Moment zu Moment

die Dichte des Lebens spüren,

Vergangenheit und Zukunft

wie Ballast abstoßen

und die Gegenwart packen

wie einen auf die Erde gefallenen Himmel.

Wir haben nichts als diesen Moment.

Alles Leben und Lieben

muss jetzt geschehen.

 

(Ulrich Schaffer)

 

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Foto: Pixabay

 

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