Meditation: Was sind Mantras (I)?

„Das Göttliche in jedem Moment hervorrufen“

 

Was sind Mantras? Und wofür sind die gut?

Das Wort Mantra ist aus dem Sanskrit abgeleitet und bedeutet „geistiger Schutz“.

Nach Hirschi** kann man das Wort in zwei Silben zerlegen: Man steht für Mensch/der Denkende/der Gedanke an sich, tra bedeutet bewahrend/schützend/rettend. Es gibt diese Übungsform in allen großen Religionen, z.B. bei den Buddhisten, im Christentum, bei den Hinduisten und den Sufis und auch in den spirituellen Praktiken aller Naturvölker. Mit einem Mantra sind ursprünglich spirituelle Absichten wie beispielsweise „die Beschwörung der Macht einer bestimmten Gottheit, die Entwicklung und Stärkung positiver Qualitäten oder das Erreichen der Einheit mit der göttlichen Wirklichkeit“* verbunden.

Gertrud Hirschi schreibt: „Mantras sind Silben, Worte oder ganze Sätze, die wiederholt gedacht, geflüstert, gesprochen oder gesungen werden. (…) Ursprünglich stammen die Mantras aus den Veden, den ältesten Schriften des Hinduismus. Wie alt diese sind, weiß niemand genau, die einen datieren sie auf 3500 v. Chr., andere sogar auf 6000 v. Chr. Es ist nicht so, dass die Veden die Mantras erwähnen und erklären, sondern sie sind die Mantras, denn viele Textstellen werden seit Jahrtausenden als solche rezitiert und gelten als besonders macht-, kraftvoll und heilig. Die Sprache der Veden, wie auch der heiligen Schriften des Buddhismus, ist Sanskrit, und Sanskrit ist die Sprache der meisten klassischen Mantras.“

Die Rezitation von Mantras begleitet häufig formale Meditationspraktiken. Die sinntragenden Worte oder eine heiligen Anrufungen wie z.B. Om oder Om mani padme hum sind durch eine Tradition mit spiritueller Kraft aufgeladen. Wenn du ein Mantra wiederholst, laut oder mental, stellst du „eine Resonanz zu einer bestimmten spirituellen Frequenz und mit der Kraft und den Segnungen her, die dieser Ton im Laufe der Zeit angesammelt hat.“*

Stephan Bodian schreibt: „Während der ganzen Geschichte haben Meditierende und Mystiker der großen Traditionen der Hingabe die ständige Rezitation eines Mantras (eines heiligen Wortes oder Ausdrucks, das bzw. der normalerweise von einem Lehrer vermittelt wird) empfohlen, um den Anhänger näher zum Göttlichen zu bringen. Zuerst können Sie üben das Mantra laut zu wiederholen; dann, wenn Sie mehr Übung haben, können Sie es schweigend sich selbst gegenüber wiederholen; und letztlich können Sie zu einer rein mentalen Rezitation fortschreiten (der die größte Wirkung zugeschrieben wird).“

Einige Praktizierende der Mantra-Meditation arbeiten mit einem Mala (Rosenkranz in Sanskrit), um ihre Meditation besser strukturieren zu können, indem sie bei jeder Rezitation eine Perle weitergehen. Alternativ können die Töne mit dem Kommen und Gehen des Atems koordiniert werden.

Viele westliche Praktizierende – so wie ich – rezitieren Mantras gelegentlich einige Minuten am Tag. Das traditionelle Ziel besteht allerdings in einer ständigen Übung bis zu dem Punkt, an dem das Wort oder der Ausdruck ununterbrochen wiederholt wird. Damit soll die Aufmerksamkeit permanent auf das Göttliche fokussiert und von gedanklichen Verhaltensmustern fern gehalten werden. Idealerweise wird der Geist dann „einspitzig“, also völlig auf die Spiritualität fokussiert. Mein Ziel ist das nicht. Ich nutze die meditative Wiederholung eines Mantras zur Konzentration und Beruhigung des Geistes und damit auch des Körpers.

 

Die Welt ist Klang

Hirschi schreibt: „Die Yogis lehren: das Universum begann mit dem Urlaut AUM, der sich immer weiter ausdehnte“. Mit harmonischen Klängen lässt sich Harmonie herstellen und damit Gesundheit und Wohlbefinden erreichen. Hirschi: „Schon seit jeher lehren die Yogis, dass es neben den hörbaren für den Menschen nicht wahrnehmbare Klänge gibt. Wir wissen heute, dass das menschliche Ohr nur Schallwellen zwischen 20 und 20 000 Hertz wahrnimmt. Darunter und darüber gibt es noch eine Vielzahl von Klangfrequenzen, die auf uns einwirken und den Kosmos durchdringen. Wenn wir Mantras rezitieren, erzeugen wir eine solche Raumschwingung, die noch lange danach die Atmosphäre erfüllt; und diese ´aufgeladene Stille` dringt weiter in unsere Tiefen – in unsichtbare, nicht mehr wahrnehmbare Räume, die unser ganzes Dasein bestimmen. Dies zeigt uns, dass wir mit den Mantras eine Welt betreten, die ´vom Feinsten` ist, weil sie uns auf das subtilste berührt und bewegt.“

 

Die Wirkung der Mantras auf Körper, Geist und Seele

Gertrud Hirschi betont: „Die positive Wirkung der Mantras macht sich nicht schlagartig bemerkbar, sondern vollzieht sich fast unmerklich – es ist ein reinigender, regenerierender Prozess, der allgemeines Wohlbefinden auf der körperlichen wie auch auf der geistig-seelischen Ebene beschert.“

 

Auf der körperlichen Ebene

– lässt es den Atem voller und tiefer werden,

– beeinflusst Herzschlag, Pulsfrequenz und Blutdruck,

– reduziert Verspannungen,

– aktiviert das Immunsystem,

– hebt die Körpertemperatur,

– regt die Verdauungsorgane an,

– reduziert Stress und

– beschleunigt den Stoffwechsel sowie den Heilungsvorgang in den Zellen.

 

Auf der geistig-seelischen Ebene

– steigern Mantras Lern- und Merkfähigkeit, Konzentration und Erinnerungsvermögen,

– beruhigen die Hirnströme,

– aktivieren die Ausschüttung von Glückshormonen,

– befreien durch das Zutagebringen von Verdrängtem,

– schenken innere Freiheit und Frieden,

– reduzieren Wut, Ärger und Ängste,

– vermitteln positive Gefühle, Geborgenheit, Geduld, Gelassenheit und Zuversicht und

– unterstützen die Entfaltung der Persönlichkeit und öffnen den Zugang zum eigenen Kreativitätspotenzial.

 

In Bezug auf spirituelles Wachstum

– reinigen sie auf alle Ebenen,

– führen zu seelischem Gleichgewicht und Zentriertheit,

– schenken Stabilität und Flexibilität,

– klären den Blick für das Wichtigste im Leben und

– entzünden das göttliche Licht im Herzen.

 

Beispiele einiger bekannter Mantras

OM

Das Om wird schon in den Upanischaden, den ältesten Schriften der Yogis, mehrfach erwähnt. „Der kosmische Laut OM besteht aus der Folge A-U-M und dem Anusvara – die zusammengezogen das OM ergeben. Die drei Buchstaben und das Anusvara stehen für die vier Bewusstseinszustände des Menschen:

A = Wach-Bewusstsein,

U = Traum-Bewusstsein,

M = Tiefschlaf-Bewusstsein,

Anusvara = Stille, in der sich das reine Bewusstsein, unermesslicher Friede und die vollkommene Einheit des Menschen mit Gott offenbart.“**

 

SO´HAM

Für die großen Yogis ist neben der Silbe OM das SO´HAM das wichtigste Mantra. Schon in den ältesten Schriften wird es erwähnt (…). Wenn OM die Vollkommenheit im großem Einen darstellt, so findet im SO´HAM schon die erste Spaltung statt, die es zur Entfaltung der Schöpfung braucht. SO bedeutet ´es` und steht für Brahman, die Weltenseele, das kosmische Bewusstsein, das Göttliche, wie immer man es benennt. HAM meint das individuelle Bewusstsein, den menschlichen Geist. Wörtlich übersetzt heißt es also ´es-ich`. In diesem Mantra geht es somit darum, dass der Mensch in jedem einzelnen Atemzug eins wird mit dem Göttlichen.“ **

Wem diese Erklärung von Frau Hirschi zu kompliziert ist, es geht auch einfacher: In meiner Ausbildungszeit habe ich SO´HAM übersetzt als ICH BIN kennengelernt und es ist schnell zu meinem Lieblingsmantra geworden, weil es sich so schön mit dem Ein- und Ausatem koordinieren lässt. Außerdem finde ich die Assoziationen so wunderbar: ICH BIN, einfach so, kein wollen, müssen, sollen usw. Wie befreiend! Wie erleichternd! Wie zurückwerfend auf das Eigentliche!

So, das war Teil I als Einführung in die Welt der Mantras. Ich möchte noch anmerken, dass ich als negativ kirchlich geprägte Person Schwierigkeiten mit dem klassischen (und oft so furchtbar missbrauchten) Gottesbegriff habe. Im spirituellen Kontext verstehe ich Begriffe wie „Gott“, „das Göttliche“ usw. als Ausdruck dessen, dass im Universum eine Kraft existiert, die größer und weiter als ich und die Menschen überhaupt ist und dass es möglich ist, sich ein wenig in diese Größe und Weite hinein zu dehnen.

 

Demnächst gibt es noch einen weiterführenden Teil mit den Punkten:

– Mantras in aller Welt,

– die Mantra-Praxis,

– die Wirkung der Vokale und Konsonanten,

– die Chakras und ihre Bija-Mantras,

– Kurz-Mantras und

– Namen.

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*Stephan Bodian: Meditation für Dummies. Weinheim 2007

**Gertrud Hirschi: Mantra-Praxis. München 2007

Foto: Pixabay

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