Meditation: Was sind Mantras (II)?

„Das Göttliche in jedem Moment hervorrufen“

 

Neulich gab es schon einen einführenden Teil I mit den Antworten auf Fragen wie:

– Was sind Mantras?

– Woher kommt das Wort? Was bedeutet es?

– Was macht man mit Mantras?

– Wie wirkt Klang auf uns?

– Wie wirken Mantras auf Körper, Geist und Seele?

– Was sind Beispiele bekannter Mantras?

Heute steigen wir etwas tiefer in die Welt der Mantras ein. Wir beschäftigen uns dabei mit Mantras in aller Welt, der Mantra-Praxis, der Wirkung der verschiedenen Vokale und Konsonanten, den Chakras, ihren Kräften und ihren Bija-Mantras, Kurz-Mantras und Namen. In meinen Ausführungen beziehe ich mich auf Gertrud Hirschi.*

 

Mantras in aller Welt

Es gibt kaum ein Naturvolk, das nicht die Kraft der Worte kennt. Es wird mit Worten gesegnet, gebannt, geflucht, gezaubert. (…) Auch in allen Religionen der Welt werden, ähnlich wie im Hinduismus oder Buddhismus, einzelne Worte, Sprüche und Texte – gleich, wie man sie benennt – von den Gläubigen regelmäßig rezitiert.“

 

Im Christentum

Im Christentum sind der Rosenkranz, mit dem das Ave-Maria rezitiert wird, und das Vaterunser die wichtigsten Gebete. Außerdem werden bestimmte Bibelstellen und Psalmen oft und gerne verlesen oder gesprochen. Beispiele sind:

Amen (= „So sei es“).

Ehre sei Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist.

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

 

Im Judentum

Im Judentum ist das Rezitieren von Texten aus dem Alten Testament sehr verbreitet. Dabei wird der Name Gottes nicht gesprochen. Stellvertretend stehen die hebräischen Schriftzeichen für die Konsonanten JHWH, die „Jahwe“ ausgesprochen werden. In anderen Übersetzungen wurde daraus der Name „Jehova“. Der Name steht für das schöpferische Prinzip, allerdings hat jeder Konsonant eine tiefere Bedeutung.

 

Im Islam

Auch im Islam ist das Rezitieren von heiligen Texten aus dem Koran ein Teil der täglichen Praxis der Gläubigen. Hirschi zitiert als Beispiel BISMILLAH YA FATAHMöge der Name Gottes mein Herz öffnen und mir den Weg zeigen. „Eine weitere Praxis besteht darin, dass der Aspirant den einen besonderen oder alle 99 Namen Allahs rezitiert. Jedem Namen ist eine Eigenschaft zugeordnet, von der er sich erhofft, dass sich Allah in dieser Art zeigen und helfen möge und/oder dass sich diese Eigenschaft auf ihn selbst überträgt.“

 

Im Hinduismus und Buddhismus

Auch in Indien und in den Ländern, in denen sich der Buddhismus verbreitet hat, werden Mantras in den Tempeln bei sakralen Handlungen, bei Opfergaben, bei Segnungen, als tägliche spirituelle Praxis, bei der Geburt, Hochzeit, dem Tod wie auch im Alltag, beispielsweise als Wiegenlied, überall und immer wieder gesprochen oder gesungen. Sie werden rezitiert als Dank-, Lob- oder Bittgebet (…). Viele Gläubige in Tibet murmeln ihr Mantra den ganzen Tag und/oder setzen dazu ihre Gebetsmühlen ein. (…) In Indien werden zu verschiedenen Gottheiten, je nachdem, was man anstrebt, Mantras gesungen. Trotzdem möchte ich hier betonen: Im Hinduismus glaubt man nur an einen Gott, und die verschiedenen Gottheiten sind die verschiedenen Aspekte des einen großen Gottes. In diesen Glaubensrichtungen ist es auch üblich, dass Mantras dem Aspiranten von einem Guru, also einem spirituellen Lehrmeister, übertragen werden.“

 

Die Mantra-Praxis

In Indien würdest du dein Mantra wahrscheinlich von deinem Dorf-Brahmanen, einem Angehörigen der Priester-Kaste, bekommen. Er würde bei der Wahl vielleicht sogar dein Horoskop und den richtigen Zeitpunkt für den Beginn berechnen. Wenn du dir selbst ein Mantra auswählen möchtest, unterscheidet Gertrud Hirschi zwei Arten: Das eine kannst du danach auswählen, was du in der gegenwärtigen Situation gut gebrauchen kannst, z.B. ein Mantra für die Gesundheit oder eins zum Überwinden von Ängsten und Sorgen. Das andere kannst du regelmäßig rezitieren. Es ist das eine, für dich ganz besonders kostbare und heilige Mantra. Du kannst dein Mantra in einem Buch oder auf einer CD finden und ein Ritual zur Offenbarung deines Mantras durchführen.

Wenn du dein Mantra gefunden hast, stimmst du dich körperlich auf das Rezitieren ein, weil muskuläre Verspannungen den Energiefluss blockieren. Außerdem soll verbrauchte Energie abfließen und Platz für frische machen. Einige Lockerungsübungen wie eine Handmassage, Hüpfen, Strecken, Dehnungen und Drehungen genügen schon.

Die Praxis kann dann in Form von lautem und hörbaren Rezitieren, gesummtem oder geflüstertem Rezitieren, tonlosem Rezitieren im Geiste oder schriftlich erfolgen. Das Abwechseln der verschiedenen Formen kann die Konzentration erleichtern. Auch kannst du für Variation sorgen, indem du die Tonlage veränderst, mit Lautstärke, Tempo und Rhythmus spielst, Nacken- und Augenübungen integrierst, dich im Rhythmus wiegst usw.

Die richtige Aussprache der Mantras kannst du übrigens üben, indem du sie dir auf deinen Lieblings-Mantra-CDs immer wieder anhörst!

Dein Atem ist energetisch betrachtet der Träger des Mantras. „Wenn das Mantra das Boot ist, das Sie zu Ihrem Ziel bringt, dann ist der Atem der Strom, der das Schiff dahin trägt.“ Das ist ein wunderschönes Bild, finde ich! Das heißt, dass du Rhythmus und Tempo des Mantras immer deinem Atem anpasst. Grundsätzlich sollte der Atem während der Rezitation immer langsam, rhythmisch, gleichmäßig, tief, voll, fein und leicht sein, aber nach meiner Erfahrung geschieht das nach kurzer Zeit eh von ganz alleine.

 

Vokale und Konsonanten

Ein Mantra kann mit einer mehrfarbigen Steinkette verglichen werden: Die Steine sind dabei die Vokale und Konsonanten.“ Das ist ein sehr schönes Bild, das mir als Edelsteinberaterin natürlich besonders gut gefällt!

Vokale

Sowohl im Westen als auch im Osten wird über die verschiedene Wirkung der Vokale oder Selbstlaute und der Konsonanten oder Mitlaute geforscht. In China geht man z.B. davon aus, dass mit Vokalen die Körperenergie gelenkt werden kann. Die Vokale wirken „beruhigend, anregend oder ausgleichend auf das Nerven- und somit auch auf das Hormonsystem. (…) Vokale sind so genannte Hall- oder Raumlaute und rufen ein Gefühl von Weite, Höhe und Tiefe hervor; und entsprechend spürt man die Vibration in den einzelnen Körperbereichen. Der hellste Vokal I ist im Kopf zu spüren, während das A die Brust erfüllt und weit über den Körper hinausschwingt. Der Selbstlaut O trifft die Körpermitte und ein U geht in die Körpertiefe.“ Der Vokal E „weitet und entspannt uns im Hals- und Nackenbereich sowie im oberen Brustraum.“

Konsonanten

Wenn die Vokale mit der Qualität der Wassermassen verglichen werden, die das Meer (Klang, Sprache) ausmachen, dann sind die Konsonanten die Bewegung ebenjener Wassermassen – die Wellen, der Fluss. Auch ihnen werden in den esoterischen Lehren entsprechende Kräfte zugesprochen.“

Zum Beispiel erzeugen die Konsonanten F oder V „eine wohltuende Vibration im Beckenboden, wodurch dieser belebt wird und Spannungen gelöst werden. Sie wecken auf und bringen etwas Neues in Gang – geben neue Impulse. Das G steht für den Anfang und bringt etwas ins Rollen“ – man denke nur an Ganesha, den Gott des Neubeginns. Und der Konsonant H „verstärkt und verdeutlicht alle Vokale und ihre Wirkung. Wir finden ihn in vielen Sanskrit-Worten“.

 

Die Chakras und ihre Bijas

Die Mantras beeinflussen all unsere feinstofflichen Bereiche, (…), und da sind auch die Chakras angesiedelt – jene energetischen Zentren, die entlang des Rückenmarks liegen. So ist es eigentlich eine logische Schlussfolgerung, dass die Yogis den Chakras spezielle Laute (Bija-Mantras = Keimsilben) zugeordnet haben, um positiv auf die Energienzentren einzuwirken:

dem Muladhara- oder Wurzel-Chakra im Bereich des Beckenbodens ist das Bija-Mantra LAM zugeordnet,

dem Svadhishthana- oder Sakral-Chakra eine Handbreit unterhalb des Bauchnabels wird das Bija-Mantra VAM zugeordnet,

dem Manipura- oder Nabel-/Solarplexus-Chakra eine Handbreit oberhalb des Bauchnabels ist das Mantra RAM zugeordnet,

dem Anahata- oder Herz-Chakra auf der Nähe des Brustbeins wird das Bija-Mantra YAM zugeordnet,

dem Vishuddha- oder Hals-Chakra auf der Höhe des Kehlkopfs ist das Bija-Mantra HAM zugeordnet,

dem Ajna- oder Stirn-Chakra zwischen den Augenbrauen beim sogenannten Dritten Auge wird das Bija-Mantra OM zugeordnet und

dem Sahasrara- oder Kronen-/Scheitel-Chakra oberhalb des Schädeldachs ist das Bija-Mantra MMM zugeordnet.

 

Auch die Vokale werden den Chakras zugeordnet:

U

o (wie Mond)

O (wie Sonne)

A

E

I

M.

 

Kurz-Mantras

Kurz-Mantras sind allgemein sehr beliebt, da sie mit kleinstem Aufwand – praktisch in einem Atemzug – gesprochen werden können (…).“ Ein Beispiel ist das bereits im ersten Teil besprochene SO´HAM. Andere Beispiele sind:

SAT NAM = Ich begrüße und verehre das Göttliche, die einzige Wirklichkeit – es ist in allem, und alles ist in ihm.

OM TAT SAT – „steht in den alten vedischen Texten für das unaussprechliche Mysterium, das unergründliche Geheimnis, das unfassbare, unendliche Absolute.“

SATYAM EVA JAYATE = Das Gute siegt – die Wahrheit, die Weisheit, die richtige Erkenntnis, die einzige Wirklichkeit allein triumphiert.“

Namaste = Verneigung, Verehrung, Wertschätzung des Gegenübers/Ich grüße das Lichtvolle in dir.

 

Namen

In allen Kulturen üben seit Menschengedenken die Namen eine ganz besondere Faszination aus. In jedem Namen steckt eine einzigartige Energie, und diese Energie überträgt sich auf den Menschen (…). In vielen Mantras sprechen wir einen Namen Gottes, und oft ist eine Eigenschaft damit verbunden.“ Eine kleine Auswahl dieser Anrufungen des Göttlichen:

 

OM HARI OM – Hari ist ein Beiname Shivas, der Schöpfung und Neubeginn, Erhaltung und Zerstörung verkörpert. „Es geht um das Freiwerden von jedem Zuviel, von den Verhaftungen an das Materielle, an das Weltliche, an Illusionen, Verstrickungen, Ängste und Sorgen.“

 

HARI KRISHNA – „Gott Krishna verkörpert die jugendliche Frische“. Diese gilt es auf dem spirituellen Weg im Geist und im Herzen zu bewahren, damit Elan und Begeisterung erhalten bleiben.

 

JAYA MA – „Wörtlich heißt dieses Mantra ´Sieg der großen Mutter`. Hier geht es darum, dass sie sich für uns einsetzt und uns hilft.

 

TUTARE – Dieses Mantra heißt wörtlich gütige Tara. Die Grüne Tara verkörpert Mitgefühl, Trost und Wärme. „Auch hier geht es wieder um die weibliche Energie, Mütterlichkeit, Geborgenheit und um die Heilung schmerzender Wunden, gleich, ob körperlicher oder geistig-seelischer Art.“

 

Natürlich gibt es noch viel mehr zum Thema Mantras zu sagen, zu schreiben und v.a. auszuprobieren und ich freue mich auf gemeinsame Übungen in meinen Meditationskreisen und auf Austausch! 🙂

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*Gertrud Hirschi: Mantra-Praxis. München 2007

Foto: Pixabay

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