Meditation: Waldbaden

Neulich in Nordhessen stand plötzlich auf einem Wegweiser im Wald das Wort „Waldbaden“. Den Begriff hatte ich schon öfter gehört und mich bisher nicht näher damit beschäftigt. Obwohl, von der regenerativen Kraft der Natur bin ich ja eh überzeugt. Sich im Grünen aufhalten, Bewegung an der frischen Luft, Ruhe und Besinnung fand ich schon immer toll und unendlich wohltuend. Nun sieht es aber so aus, als wurde dieses Thema bislang unterschätzt. Denn Waldbaden kann für den Körper und Geist viel größere und intensivere Auswirkungen haben als bisher angenommen. Lass uns also mal ein bisschen recherchieren:

 

Was ist Waldbaden?

In Japan heißt das Waldbaden Shinrin Yoku und ist dort seit den 1980er Jahren ein Gesundheitstrend, der sogar an Universitäten gelehrt und medizinisch verordnet wird. Mittlerweile hat sich diese Bewegung auch auf Europa und die USA ausgedehnt.

Der japanische Name Shinrin Yoku bedeutet „Baden im Wald“. Damit ist nicht etwa das Baden in einem Waldsee gemeint. Vielmehr bezeichnet Waldbaden einen bewusst erlebten, entspannend wirkenden Aufenthalt im Wald. Ein wichtiger Bestandteil davon ist das bewusste Erleben der Natur mit allen Sinnen, häufig in Kombination mit Entspannungsübungen.

Die beruhigende und heilende Wirkung des Waldes wurde bereits durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt. Prof. Dr. Qing Li, Umweltmediziner an der Nippon Medical School und Pionier der Shinrin-Yoku-Forschung, hat bereits vor vielen Jahren ein Standardwerk zur Waldmedizin verfasst. Er gibt darin verschiedene Tipps für ein individuelles Shinrin-Yoku-Erlebnis, die Dauer der Waldaufenthalte und das Ausmaß der körperlichen Aktivität. Ursprünglich führte er dreitägige Shinrin-Yoku-Feldexperimente mit zwei Übernachtungen durch, um den Anstieg der Anzahl und der Aktivität der natürlichen Killerzellen und anderer wichtiger Bestandteile des Immunsystems nachzuweisen. Es gibt aber auch Experimente, bei denen nach einem eintägigen Waldaufenthalt positive Wirkungen auf das Immunsystem festgestellt wurden. Gute Ergebnisse wurden zudem z.B. bei Patienten mit Diabetes oder Bluthochdruck erzielt.

Die sogenannte Waldmedizin ist aber nicht nur in Japan ein anerkanntes Forschungsgebiet. Auch in Europa, den USA und Australien rücken die gesundheitlichen Vorteile von Aufenthalten im Wald immer mehr in den Fokus der Wissenschaft. Auch in Deutschland werden mittlerweile Kurse angeboten, um das Waldbaden zu erlernen. Diese beinhalten neben einem Spaziergang und/oder Ruhen im Wald noch Achtsamkeits- oder Atemübungen und Entspannungstechniken aus dem Yoga oder Qigong. Waldbaden wird in Deutschland, Österreich und der Schweiz immer mehr zum Trend. Es gibt schon einige Shinrin-Yoku-Trainer*innen, Trainer*innen für Waldbaden oder Waldbademeister*innen und es wird im Süden Deutschlands bereits an einem zertifizierten Lehrgang zum Waldgesundheitstrainer und Waldtherapeuten gebastelt. Auch finden sich immer mehr Artikel, Websites und Bücher zum Thema.

 

Wie funktioniert Waldbaden?

Zwar gibt es keine allgemeingültigen Regeln zum Waldbaden; dennoch können ein paar Tipps dabei helfen, den Genuss des Waldbadens zu intensivieren:

 

Waldbaden beinhaltet das sehr bewusste Wahrnehmen der Umgebung mit allen Sinnen. Du konzentrierst dich auf Gerüche wie den Duft der Pinien, Geräusche wie das Rauschen der Blätter und Farben wie die verschiedenen Rot-, Gelb-, Braun- und Grüntöne.

 

Das Lauftempo ist eher langsam und der Spaziergang ausgedehnt. Wie lange ein Waldbad dauern sollte, ist offen, es können aber durchaus mehrere Stunden sein. Allerdings sollen schon 20 bis 30 Minuten täglich dabei helfen, das Stresshormon Cortisol im Blut zu reduzieren.

 

Nimm dir grundsätzlich genügend Zeit und plane für diesen Tag keine wichtigen Termine mehr ein. Hektik und Zeitdruck sollten auf gar keinen Fall aufkommen.

 

Mache ausreichend Pausen und nimm genug Flüssigkeit zu dir. Empfehlenswert ist vor allem pures Wasser.

 

Was bewirkt Waldbaden?

Waldbaden oder ein einfacher Waldspaziergang sind gesund für Körper und Psyche. Die folgenden positiven Auswirkungen auf die Gesundheit sind wissenschaftlich belegt:

 

Psychisch

  • Entspannung durch weniger Lärm, natürliche Waldgeräusche und -gerüche
  • Ablenkung vom stressigen Alltag durch Eindrücke in der Natur
  • gesteigertes Wohlbefinden durch ruhige Atmosphäre im Wald

 

Physisch

  • Verringerung des Cortisol-Spiegels
  • Senkung des Blutdrucks
  • Stärkung des Immunsystems
  • Entspannung der Muskeln
  • Befeuchtung der Atemwege

 

Studien haben gezeigt, dass sich der allgemeine Stressabbau infolge von regelmäßigen Besuchen im Wald positiv auf psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Burnout auswirkt und diesen vorbeugen kann. Darüber hinaus kann sich nach wissenschaftlichen Befunden aufgrund des gesenkten Blutdrucks und reduzierten Stresslevels auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern. Auch die Anfälligkeit für viele weitere Erkrankungen nimmt bei regelmäßiger Bewegung im Wald ab, da die Abwehrkräfte gestärkt werden.

 

Warum ist Waldbaden gesund?

Die positiven Auswirkungen des Waldes auf die Psyche und den Körper haben unterschiedliche Ursachen. So weisen Wälder ein eigenes Lokalklima auf. Das heißt, dass das dichte Blattwerk Umwelteinflüsse wie Sonneneinstrahlung, Hitze und Kälte mindert. Es herrscht eine höhere Luftfeuchtigkeit, was die Atemwege befeuchtet und sie so weniger anfällig für Bakterien und Viren macht. Die Bäume sorgen zudem für eine hohe Konzentration an Sauerstoff in der Luft.

Zusätzlich dienen Bäume als Lärmschutz und durch das Blätterdach herrscht ein angenehmes Dämmerlicht, das die Augen schont. Entspannte Waldgeräusche wie z.B. das Zwitschern der Vögel und angenehme Gerüche sorgen für ein Wohlgefühl, denn sie steigern die Aktivität des Parasympathikus. Dieser Teil des vegetativen Nervensystems ist besonders in Ruhephasen aktiv und dient der Regeneration des Organismus durch das Senken von Puls und Blutdruck. Durch die ruhige Atmosphäre im Wald entspannen sich außerdem die Muskeln.

Was ich besonders bemerkenswert finde: Bäume senden Botenstoffe aus, die sogenannten Terpene. Sie werden durch Blätter, Blüten und Nadeln abgesondert und befinden sich in der Waldluft. Terpene dienen den Bäumen dazu, ihr Wachstum zu regulieren und miteinander zu kommunizieren, um beispielsweise effektiver Pilze oder Schädlinge abzuwehren. Mittlerweile wird vermutet, dass die Pflanzen über 100 Arten verschiedener Terpene kommunizieren und dabei eine Strecke bis zu 1000 Metern zurücklegen können. Diese antibakteriellen Botenstoffe werden beim Waldspaziergang über die Haut oder die Atmung aufgenommen und gelangen so in den Blutkreislauf. In einem Experiment soll festgestellt worden sein, dass allein das Einatmen von Terpenen einer Tanne eine höhere Konzentration von Terpenen im Gehirn zur Folge hat als eine Injektion des entsprechenden Öls. Dies liegt wohl daran, dass die Wahrnehmungsschwelle von Terpenen aus evolutionären Gründen gering ist.

Insbesondere Studien des japanischen Wissenschaftlers Qing Li liefern Hinweise darauf, dass die Botenstoffe der Bäume das Immunsystem stärken, da sie die Aktivität und Anzahl von Killerzellen im Blut erhöhen. Diese Zellen sind eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen und können beispielsweise Zellen, die mit einem Virus infiziert sind, erkennen und abtöten. Außerdem sollen sie im Gehirn die Produktion von Botenstoffen steigern, die den Cortisol- und Blutzuckerspiegel sowie den Blutdruck regulieren. Ein dauerhaft erhöhter Cortisol-Spiegel wird mit einer Schwächung der Abwehrkräfte, Depressionen und einem größeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zusammenhang gebracht.

 

Funktioniert Waldbaden auch im Park?

Laut den Ergebnissen verschiedenen Studien spielen Bäume bei der positiven Wirkung des Waldes auf die Gesundheit eine entscheidende Rolle. Dabei ist es zunächst unerheblich, ob diese in einem Wald oder beispielsweise in einem Park stehen. Zu beachten ist jedoch, dass die Menge an Botenstoffen in der Luft mit dem Baumbestand zunimmt. Ein Aufenthalt auf einer Grünfläche ohne oder mit wenigen Bäumen weist daher nicht den gleichen Effekt auf wie ein Spaziergang im Wald.

 

Funktioniert Waldbaden auch im Winter?

Waldbaden ist grundsätzlich auch im Winter möglich. Zwar fehlen die leuchtenden Farben, die in den anderen Jahreszeiten zu sehen sind und auch der Gesang der Vögel. Doch auch im Winter gibt es im Wald viel zu entdecken und die gesunden Terpene befinden sich weiterhin in der Luft. Davon abgesehen ist Bewegung an der frischen Luft zu jeder Jahreszeit gut für Körper und Psyche.

 

Tipps für ein perfektes Waldbade-Erlebnis

Damit das Waldbaden wirklich funktioniert und all die aufgezählten Anti-Stress-Effekte wirklich greifen können, macht es Sinn, das Waldbaden richtig anzuwenden. Einige Tipps:

Handy ausschalten

Ganz davon abgesehen, dass dein Handy wahrscheinlich im Wald ohnehin einen schlechten Empfang hat, ist der Konsum von digitalen Inhalten beim Waldbaden wirklich tabu. Denn es geht beim Waldbaden ja genau darum, auf Empfang zu gehen und still in sich zu werden. Wenn du deine Aufmerksamkeit an etwas im Außen verlagerst, schießen deine Hirnwellen gleich wieder in stressigere Sphären.

 

Zeit lassen

Um das Waldbaden effektiv zu gestalten, solltest du dir Zeit nehmen. Denn nur so kommt dein Nervensystem voll auf seine Kosten und du kannst dich mit jeder Minute mehr und mehr eingrooven.

 

Tief atmen

Tiefes Atmen ist immer gut, um dein Nervensystem zu entspannen und herunterzukommen. Doch beim Waldbaden spielt noch ein anderer Grund eine wichtige Rolle: Wie bereits beschrieben, liegen die gesundheitlichen Effekte des Waldbadens ja besonders an den Terpenen und deshalb solltest du so viel davon einatmen wie möglich.

 

Meditation und Stille

Meditation kann unglaublich heilsame Effekte auf deinen Körper haben. Und die Kombination aus Meditation und Wald scheint ideal zu sein und Synergieeffekte zu liefern, die in ihrer Vielzahl noch gar nicht abzuschätzen sind. Du kannst aber davon ausgehen, dass sich die Wirkungen beider Methoden, also Meditation und Waldbaden, noch einmal verstärken. Um das Erlebnis zu genießen, versuche dich während des Waldbadens in Stille zu üben. Das Waldbad-Erlebnis wird umso intensiver zu sein, je mehr du bei dir und nicht im Außen bist.

 

Fazit

Waldbaden ist das Baden in der Natur. Eine unmittelbare Erfahrung ohne Schnickschnack, Technik und die Hektik der Großstadt. Der Wald ist pure, gesunde Natur, die jedem Menschen sehr gut tut. Vor allem, wenn du übermäßig gestresst bist und die Nase voll von Straßen, öffentlichen Verkehrsmitteln und WLAN bestückten und Menschen-überfüllten Einkaufszentren hast, dann kann Waldbaden die entspannende Ausfahrt für dich sein, um wieder (mehr) in geistige und körperliche Balance zu kommen.

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Quellen:

https://www.gesundheit.de/wellness/entspannung/entspannungs-know-how/waldbaden

https://www.primal-state.de/waldbaden/

https://www.waldbaden-anleitung.de

Foto: Pixabay

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