Psychotherapie – Loslassen (5)

 

Loslassen, was dir das Leben schwer macht

 

Wie kann es gelingen, dich von schwierigen Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen zu befreien?

  • Co-Abhängigkeit überwinden

    Die Verantwortung für dein Leben und dein Glück an andere abzugeben ist einer der größten Bremsklötze, die dich an deiner Weiterentwicklung und der Verwirklichung deines Potenzials hindern. Psychologen bezeichnen ein solches Verhaltensmuster als Co-Abhängigkeit. Du bist dann so stark auf die Außenwelt konzentriert, dass du den Kontakt zu deinem Inneren verlierst – deinen Gedanken, Gefühlen, Entscheidungen, Erfahrungen, Wünschen, Hoffnungen und deiner Intuition. Mit anderen Worten: Du verlierst den Kontakt zu deinem wahren Wesen.

    Co-abhängige Menschen sind emotional, sozial und manchmal auch körperlich extrem auf einen Menschen oder ein bestimmtes Objekt fixiert. Dieses Abhängigkeitsverhältnis bestimmt am Ende sämtliche zwischenmenschliche Beziehungen. Wenn du co-abhängig bist, machst du die Bedürfnisse der anderen Person zu deinem Lebensinhalt und versuchst, deren Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen zu kontrollieren. Damit versuchst du, deinen eigenen Mangel an innerer Sicherheit und Selbstachtung auszugleichen.

    Menschen, die sich co-abhängig verhalten, sind ständig damit beschäftigt, andere zu „retten“ und deren Leben „in Ordnung zu bringen“. Gleichzeitig sind sie aber nicht imstande, angemessen für ihre eigenen Bedürfnisse zu sorgen. Sie schaffen es nicht, Nein zu sagen und lassen schnell alles mit sich machen.

    Manchmal geht das so weit, dass eine co-abhängige Person jahrelang in einer ungesunden Beziehung ausharrt, in der sie ausgenutzt oder sogar misshandelt wird. Aus Angst vor der Trennung nimmt sie alles in Kauf und sie glaubt, nur dann wertvoll zu sein, wenn sie sich aufopfert.

    Dieses Verhaltensmuster ist eines der größten Hemmnisse auf dem Weg zum Loslassen.*

  • Überholte Ziele loslassen

    Um zu einem glücklichen Leben zu finden, ist es hilfreich, hinderliche Botschaften und einengende innere Verbote loszulassen. Hast du erst einmal erkannt, welche hinderlichen Denk- und Verhaltensmuster dich binden, ist Loslassen der zweite Schritt. Verabschiede dich Stück um Stück von deinen Illusionen und einengenden geistigen Konzepten, um schließlich den Tatsachen ins Auge zu sehen.

    Auch verbissen an bestimmten Zielen festzuhalten hindert dich daran, loszulassen, z.B.: „Ich würde es ja gerne ein bisschen ruhiger angehen, aber ich habe das Finanzamt im Nacken und muss meinen Umsatz Jahr für Jahr deutlich steigern.“ Dabei sind es i.d.R. nicht die Ziele selbst, die dir Probleme bereiten, sondern deine Anhaftung daran. Wenn du deine Ziele um jeden Preis verwirklichen willst, machen sich statt Freude und innerer Gelassenheit Angst und Anspannung in dir breit. Die beste Methode, deine Ziele zu erreichen, ist „anstrengungsloses Streben“. Das heißt, du bist dir stets der Tatsache bewusst, dass es eventuell nötig sein wird, deine Ziele anzupassen oder ganz aufzugeben. Die Unbeständigkeit des Lebens verlangt diese Flexibilität von uns. Paradoxerweise ist es ja mitunter sogar so, dass wir unsere Ziele leichter erreichen, wenn wir lockerlassen und offen sind für das, was kommt.

    Verfolgst auch du Ziele, die dich deine innere Ruhe kosten? Möchtest du es herausfinden? Dann ziehe dich doch einmal mit Papier und Stift an einen ruhigen Ort zurück und beantworte die folgenden Fragen:

    1. Wonach strebe ich eigentlich?

    2. Welche Ziele habe ich mir im Leben gesetzt?

    3. Passen diese Ziele zu dem Leben, das ich gerne führen möchte?

    4. Welche Opfer bringe ich, um diese Ziele zu erreichen?

    5. Gibt es Ziele, die nicht mehr aktuell sind und/oder nicht zu dem passen, was

    mir eigentlich wichtig ist?

    6. Welche Ziele kann ich loslassen?

    7. Welches Ritual kann mir dabei helfen (z.B. ein Brief, den ich feierlich

    verbrenne)?

  • Negative Gefühle gehen lassen

    Möchtest du loslassen können? Dann ist es notwendig, zuerst zu erkennen, was genau es loszulassen gilt. Anthony De Mello, Jesuitenpater und Psychotherapeut, empfiehlt folgende 4 Schritte bei der Auflösung negativer Gefühle:

    Schritt 1

    Du machst dir die negativen Gefühle bewusst, die dir keine Ruhe lassen und dein Leben beeinträchtigen. Identifiziere und benenne sie.

    Schritt 2

    Erkenne, dass diese negativen Emotionen nur mit dir und nicht mit deiner äußeren Situation zu tun haben. Nicht deine Mitmenschen müssen sich ändern, damit es dir besser geht – vielmehr musst du sie mit anderen Augen sehen und sie nicht länger ändern wollen. Nichts kann dich letzten Endes unglücklich „machen“, kein anderer Mensch, nicht die Verhältnisse, kein bestimmtes Ereignis. Du allein bist es und bereitest dir Kummer durch deine Erwartungen, deine Illusionen und deine unrealistischen Ziele.

    Schritt 3

    Mache dir klar, dass du nicht identisch mit deinen negativen Gefühlen bist. Diese haben nichts mit deinem Wesenskern zu tun. So empfindet z.B. nur ein Teil von dir Zorn. Dieses Gefühl vergeht wieder, wie auch alles andere vergeht. Dein Wesenskern wird davon nicht berührt.

    Schritt 4

    Lasse den Wunsch los, andere ändern zu wollen. Beschließe statt dessen, dich selbst zu ändern. Wenn du deine Erwartungen an andere loslassen kannst, bist du frei und in der Lage, innere Zufriedenheit zu erfahren.

  • Dich von Groll befreien

    Auch der Groll gehört zu den Gefühlen, die sich ungünstig auf unseren Geist auswirken. Groll ist die emotionale Reaktion auf eine Verletzung. Diese verständliche Reaktion vergiftet aber dein Leben, wenn du dich ihm zu lange überlässt. Es gibt nur einen Weg, um schmerzhafte seelische Verletzungen wirklich zu heilen und zu innerem Frieden zurückzufinden: der anderen Person vergeben und damit deinen Groll loszulassen. Der Weg der Vergebung bewahrt dich davor, den erlittenen Schmerz auf ewig „in Stein zu meißeln“. Er schützt dich davor, dauerhaft auf die Vergangenheit fixiert zu bleiben und darüber zu verbittern.

    Allerdings gibt es einige Missverständnisse in Bezug auf Vergebung:

    1. Missverständnis: „Vergeben heißt vergessen“.

    Ganz im Gegenteil. Es geht vielmehr darum, das Bedürfnis nach Rache loszulassen und Schritt für Schritt Abstand zu gewinnen. So reagierst du einerseits nicht mehr emotional auf das verletzende Geschehen. Und andererseits bist du dir völlig im Klaren darüber, wie die Situation abgelaufen ist und was dein Gegenüber getan hat – um in Zukunft ähnliche Erfahrungen zu vermeiden.

2. Missverständnis: „Vergeben heißt, sich auszusöhnen“.

Wenn du dich in Vergebung übst, kommst du in diesem Prozess früher oder später an den Punkt der Entscheidung, ob du dich mit der betreffenden Person aussöhnen oder den Kontakt abbrechen möchtest. Vergebung und Versöhnung sind zwei unterschiedliche Dinge, die nicht zwangsläufig Hand in Hand gehen müssen. Vergeben heißt nicht, dass alles so werden muss wie vorher.

3. Missverständnis: „Vergeben heißt, sich selbst zu verleugnen“.

Es ist Ausdruck einer gesunden Selbstachtung, die eigenen Rechte geltend zu machen. Vergeben heißt nicht, dass du die dir zugefügte Verletzung entschuldigst, leugnest oder sogar zulässt, dass man dich weiter verlässt.

Vergeben heißt, dass du dich auf einen Weg begibst, der aus 12 Schritten besteht (vgl. Jean Monbourquette: Vergeben lernen in zwölf Schritten, Ostfildern 2010):

1. den Entschluss fassen, dich nicht zu rächen und Beleidigungen in jeder Form

zu unterlassen,

2. dir eingestehen, dass du dich verletzt fühlst,

3. mit einer unbeteiligten Person über die Verletzung sprechen,

4. den Verlust benennen und betrauern,

5. die eigene Wut und die eigenen Rachegedanken akzeptieren,

6. dir selbst vergeben,

7. die Person, die dich beleidigt hat, zu verstehen versuchen,

8. die Bedeutung der Verletzung für das eigene Leben zu verstehen versuchen,

9. wissen, dass du der Vergebung würdig bist, bedeutet bereits, zu verzeihen,

10. aufhören, dich zur Vergebung zwingen zu wollen,

11. dich für die Gnade der Vergebung öffnen,

12. entscheiden, ob du die Beziehung beendest oder es noch einmal versuchst.

Den Weg der Vergebung zu beschreiten ist nicht leicht. Doch loszulassen – und nichts anderes tust du, wenn du vergibst – pflanzt den Samen der Heilung in dich als verletzte Person. Und zwar völlig unabhängig davon, wie sich der „Angreifer“ verhält.

Noch einige Fragen zur Vertiefung:

Gibt es jemandem, dem du noch nicht vergeben hast?

Welchen „Vorteil“ hast du, wenn du der Person grollst?

Möchtest du dieser Person jetzt vergeben?

Bist du bereit, dir selbst zu verzeihen?

Bist du bereit loszulassen?

 

  • Belastende Glaubenssätze transformieren

    Forschungen belegen, wie sehr unser Verhalten von unseren Gedanken gesteuert wird.

    Unsere Gedanken sind unser Werk, also können wir sie kontrollieren und loslassen.

    Dabei kann die folgende Technik nützlich sein:

    Fasse einen klaren Entschluss, z.B. : „Ich entscheide mich jetzt dafür, alle Gefühle des Bedauerns über … loszulassen.“

    Taucht das betrübte Gefühl wieder auf, stelle dir vor, dass es wie ein explodierender Feuerwerkskörper am Nachthimmel verglüht und für ein positives Gefühl Platz macht.

    Du kannst Misserfolge, Fehler und hinderliche Gewohnheiten überwinden, indem du sie hinter dir lässt.

    Im Leben aller Menschen wechseln Erfolg und Fehlschläge, Glück und Leid einander ab. Ob du ein glückliches oder beschwertes Leben führst, hängt sehr stark von deiner inneren Haltung den Höhen und Tiefen des Lebens gegenüber ab. Du kannst es schaffen, deine Probleme zu überwinden und dein Leben zum Positiven zu verändern, wenn du an einem bestimmten Punkt den Entschluss gefasst hast, alles Negative hinter dir zu lassen und deine Aufmerksamkeit statt dessen der Frage zuwendest, wie du dir ein Leben nach deinen Wünschen aufbauen kannst.

    Du kannst die Vergangenheit nicht gehen lassen, ohne Wut und Verbitterung überwunden zu haben.

    Das Leben bringt dich mit den unterschiedlichsten Menschen zusammen: Solchen, mit denen du gut klarkommst und solchen, die dich in irgendeiner Form verletzen oder dir unrecht tun. Stelle dir dabei vor, dass du dieser Person begegnet bist, damit du wachsen und reifen und auf deinem Weg voranschreiten kannst. Und versuche, dich nicht in Rachegedanken zu ergehen, sondern Liebe zu senden. Mit der Zeit verändert sich etwas, innere Heilung tritt ein und deine Einstellung wandelt sich – eine ungeahnte neue Qualität kann entstehen.

    Worte sind Träger von Energie, daher achte sorgfältig darauf, welche Art von innerem Dialog du pflegst.

    Wenn du den ganzen Tag lang Sätze wie: „Ich schaffe es nicht, loszulassen“, „Es war einfach zu heftig, was sie mir angetan hat“ usw. denkst, dann bestärkst du dich damit in der Überzeugung, nichts zur Änderung der Situation beitragen zu können. Sagst du dir hingegen: „Ich übe mich in Vergebung und bleibe ruhig“, dann steuerst du deine Entwicklung nach deinen Wünschen, weil deine Gedanken und Worte in die Richtung gehen, die du einschlagen möchtest.

    Konzentriere dich auf das, was du erreichen möchtest und nicht auf das, was du abstellen oder loslassen möchtest.

    Unser Gehirn kommt mit positiv formulierten Botschaften besser zurecht als mit negativen. Mit einer Affirmation wie: „Ich kann loslassen und inneren Frieden finden“ wirst du mehr erreichen als mit einem Satz wie: „Ich will nicht mehr wütend auf … sein.“

    Wenn du deine Überzeugung analysierst, dass etwas unmöglich ist, dann kannst du diese Überzeugung ändern.

    Du erschaffst mit deinen Gedanken die Wirklichkeit, die du erfährst. Dein Leben ist das Leben, das du mit deiner Imagination geschaffen hast, und du erntest die Früchte deines Denkens. Wenn du alte Verletzungen wirklich loslassen willst, dann kannst du damit jetzt, genau in diesem Augenblick, anfangen. Das kannst du am besten mit einer Affirmation, in die du deinen Veränderungswunsch einfließen lässt.

    Wenn du deine eigenen Affirmationen formulieren möchtest, dann formuliere die Affirmation

    1. in der Gegenwartsform,

    2. in der Ich-Form und

    3. möglichst kurz gefasst und für dich sinnvoll.

    Affirmationen verändern nicht deine Grundüberzeugungen, sondern die Gefühlslage, die du mit einer bestimmten Überzeugung verbindest. Es fällt dir viel leichter loszulassen, wenn du in Bezug auf dein Problem eine positive, zuversichtliche Haltung einnimmst.

  • Die eigenen Erwartungen ändern

    Es sind die dich von äußeren Faktoren oder anderen Personen abhängig machenden Erwartungen, die dich am Loslassen hindern. Doch du kannst diese geistige Programmierung jederzeit ändern. Der Autor Ken Keyes (Anleitung zum Glücklichsein, Weyarn 2000) unterscheidet zwischen Abhängigkeiten und Vorlieben.

    Mit Abhängigkeit ist ein Bedürfnis gemeint, das bei Nichterfüllung zu starken Emotionen führt, die Menschen lange Jahre mit sich herumschleppen können. Diese entstehen durch Erwartungen, die sie von anderen Menschen und den äußeren Umständen in ihrem Leben abhängig machen. Sie reagieren dann mit Enttäuschung, Trauer oder Ärger, wenn ihre Bedürfnisse nicht von ihrem Umfeld befriedigt werden. Diese negativen Gefühle verhindern, dass sich innere Zufriedenheit einstellt und führt zu körperlichen Verspannungen und dem Gefühl, von anderen Menschen emotional abgeschnitten zu sein.

    Mit Vorliebe ist ein Bedürfnis gemeint, das bei Nichterfüllung nicht zu Depressionen, Entfremdungsgefühlen oder Verspannungen führt.

    Exakt an dieser Trennlinie zwischen Abhängigkeit und Vorliebe entscheidet sich, ob du loslassen kannst oder nicht.

    Folgende Fragen können dir helfen:

    Was genau lässt mich im Moment leiden?

    Was ärgert mich?

    Worüber bin ich enttäuscht?

    Frage dich dann als Nächstes, welche abhängig machende Erwartung hinter der jeweiligen Empfindung steht.

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sinngemäß und gekürzt entnommen aus Rosette Poletti & Barbara Dobbs: Loslassen. Der Weg zu einem befreiten Leben. München 2014

* in Kapitel 3 findet sich ein Fragebogen zum Thema Co-Abhängigkeit.

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