Der Diplompsychologe und Psychotherapeut Andreas Knuf beschreibt in seinem Buch „Sei nicht so hart zu dir selbst“ u.a., wie du mit der Selbstverurteilung aufhören kannst.
Es ist hilfreich, deinen inneren Kritiker kennenzulernen und dir über seine Lieblingsthemen klar zu werden. Sie zu kennen ist wichtig, weil sie dir herauszufinden helfen, wann dein innerer Kritiker wieder in deinem Kopf und deinem Herzen unterwegs ist. Die folgenden drei sind Klassiker:
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Der innere Richter
Der innere Richter kritisiert dich gnadenlos. Er findet immer etwas an dir auszusetzen und spielt sich als Oberlehrer oder aufdringlicher Besserwisser auf. Du kannst ihn gut daran erkennen, dass seine Kommentare oft sehr pauschal sind: „Wie bescheuert hast du dich denn jetzt schon wieder verhalten!?“ Möglicherweise nörgelt er schon seit Jahrzehnten mit immer den gleichen Sätzen an deiner Person, deinem Körper oder deinem Verhalten herum. Manchmal tarnt er sich aber auch raffiniert, indem er dir unverfänglich erscheinende Warum-Fragen stellt: „Warum hast du nicht besser aufgepasst?“ oder „Warum bist du schon wieder müde?“. In Wahrheit sind diese Fragen aber eine versteckte Form der Anschuldigung: „Das hätte dir nicht passieren dürfen!“ oder: „Du darfst nicht schon wieder müde sein!“
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Der Antreiber
Der Antreiber findet, dass du nie genug machst. Er ist die typische Stimme des Kapitalismus und der Leistungsgesellschaft. Auf sein Konto gehen jede Menge Burnout-Erkrankungen. Sein Motto: „Es ist nie genug und da geht immer noch was!“ Während er dir: „Mehr! Schneller! Weiter! “ zuruft, schreit sein enger Verwandter, der Perfektionist, ständig noch: „Besser!“
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Der Rechtmacher
Der Rechtmacher möchte anderen gefallen und passt sich an, um gemocht zu werden und Konflikten aus dem Weg zu gehen. Seine Stimme ist nicht so schrill wie die des Richters und daher schwerer zu erkennen. Er fordert dich auf, deine eigenen Bedürfnisse gar nicht erst wahrzunehmen oder gar zu äußern. Statt dessen sollst du dich mit den Ansprüchen und Bedürfnissen der andern beschäftigen. Er sagt: „Was du willst, spielt keine Rolle. Finde heraus, was die anderen wollen und richte dich danach.“
Den Quälgeist taufen und begrüßen
Welche innere Stimme begleitet dich besonders gerne?
Lass dir einen Moment Zeit, um ein paar typische Sätze festzuhalten, die du besonders häufig in dir hörst!
Wenn du nun weißt, welcher Typ dich gerne besucht, kannst du ihn das nächste Mal mit Namen begrüßen: „Hallo, lieber Antreiber, da bis du ja wieder. Was hast du mir denn heute zu sagen? Ach, das kenne ich schon; du wiederholst dich. Aber gut, bleib noch ein bisschen hier. Dann kannst du aber auch wieder gehen.“
Diese Methode hilft dir, Abstand zu gewinnen und nennt sich „Externalisierung“. Dabei verlagerst du die Stimme, die ja in dir ist, durch ein Hilfsmittel nach außen. Besonders wirkungsvoll kann es dabei sein, dem Dauernörgler einen Namen zu geben, z.B. „Laberheini“ oder „Der kleine Giftzwerg“. Knuf gibt seinen Klienten gerne mal eine Handpuppe (z.B. den quakenden Frosch oder den plappernden Papagei) für eine Woche mit nach Hause, damit die innere Stimme wahrnehmbarer und leichter erkennbar wird.
Eine andere Methode des Abstandschaffens stammt aus der Acceptance und Commitment Therapie (ACT). Dabei schreibst du unerwünschte Gedanken auf Karteikarten und trägst diese in der Hosentasche oder Handtasche mit dir herum.
Für eine weitere Übung brauchst du eine Partnerin oder einen Partner. Die Übung heißt: „Spaziergang mit meinem Verstand“. Dabei sagst du der anderen Person einige typische Sätze deines inneren Kritikers. Anschließend macht ihr einen kleinen Spaziergang. Deine Übungspartnerin oder dein Übungspartner spielt nun den inneren Kritiker, indem er die Sätze regelmäßig wiederholt. Sie/er spricht sie dabei laut aus oder flüstert sie dir ins Ohr. Dabei spürst du die Wirkung des Kritikers viel deutlicher als im Alltag und entwickelst einen stärkeren Wunsch, ihm seine Sprüche endlich nicht mehr zu glauben.
Bei allen drei Methoden geht es darum, deine Selbstverurteilung zu bemerken und zu erkennen, dass das nur ein Gedanke ist und nicht die Wahrheit! Unbedingt ausprobieren!
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nach Andreas Knuf: Sei nicht so hart zu dir selbst. Selbstmitgefühl in guten und in miesen Zeiten. München 2016
Foto: Pixabay