Gefühle durchfühlen

Wie du Gefühle durchfühlen kannst

Der Diplompsychologe und Psychotherapeut Andreas Knuf aus Konstanz beschreibt in seinem Buch „Sei nicht so hart zu dir selbst“ u.a., wie du hilfreich mit Gefühlen umgehen kannst. In diesem Zusammenhang beschreibt er die WAS-Fertigkeit.

WAS steht für:

  • Wahrnehmen,

  • Annehmen und

  • Still damit sein.

Wenn du mit einer schmerzhaften Empfindung konfrontiert bist, kämpfe nicht dagegen an. Nimm sie vielmehr wahr und spüre sie. Begegne ihr mit einer inneren Bereitschaft zum Fühlen und gib ihr Raum.

Das klingt vielleicht in der Theorie ganz einfach, ist in der Umsetzung aber oft schwierig. Allein das Wahrnehmen von Gefühlen stellt oft eine sehr große Herausforderung dar. Der Körper spannt sich oft gegen Gefühle an, z.B. durch flaches Atmen. Wenn du dagegen durch den geöffneten Mund atmest, bis du besser mit deinen Gefühlen verbunden. Dann kannst du dich fragen, welches Gefühl du gerade wahrnimmst.

Wenn du dein Gefühl so gespürt und angenommen hast, kommt der dritte Punkt, nämlich still damit sein. Damit ist gemeint, dass du nichts mit dem Gefühl machen musst. Eine sehr verbreitete Falle ist nämlich, dass du über das Gefühl nachzudenken beginnst, z.B.:

  • Was hat mich so traurig gemacht?

  • Wann war ich schon einmal traurig in meinem Leben?

Meistens bringen dich diese Gedanken aber von deinem Gefühl weg. Deshalb reicht es vollkommen aus, das Gefühl wie z.B. Traurigkeit zunächst nur zu fühlen. Über deine Hintergründe kannst du später immer noch nachdenken.

Bewusstes Fühlen am Beispiel Ärger – die Welle

Knuf zeigt am Beispiel von Ärger auf, wie bewusstes Fühlen genau ablaufen kann:

Du nimmst wahr, wie sich Ärger langsam aufbaut oder plötzlich in dir entfacht wird. Meistens spielen Gedanken dabei eine große Rolle. Und auch diese Gedanken nimmst du einzeln wahr. Du meinst vielleicht, jemand hat dich schlecht behandelt oder sich dir gegenüber unverschämt verhalten. Du denkst darüber nach, wie du diesen Ärger ausdrücken könntest, wünschst dieser Person vielleicht Schlechtes oder überlegst eventuell sogar, wie du ihr schaden könntest. Manchmal kommen dir Bilder oder Handlungsabläufe in den Kopf und du malst dir Rache-Phantasien aus.

Die große Herausforderung besteht nun darin, die Gedanken, inneren Bilder und Filme einfach als solche zu erkennen und sie nicht mit Tatsachen zu verwechseln. Ärger ist mit vielen Körperempfindungen verbunden: Du nimmst vielleicht Kraft und Lebendigkeit wahr, aber auch Anspannung, Druck oder Unruhe. Und auch diese Empfindungen beobachtest du nur, sie dürfen sein, du schenkst ihnen nicht allzu viel Aufmerksamkeit. Der rote Faden, an dem du dich orientierst, ist das Gefühl selbst. Irgendwann hat die Ärger-Welle ihren Höhepunkt überschritten und ebbt langsam ab. Den Übergang kannst du achtsam begleiten und dadurch besonders deutlich spüren, dass Ärger tatsächlich in einer Welle verläuft.

Wenn der Ärger dann weiter abklingt, begegnest du dir selbst mit viel Mitgefühl und Annahme und erforschst, welche Empfindungen eigentlich hinter dem Ärger verborgen liegen. Meistens sind es Empfindungen von Angst und Kränkung, Hoffnungslosigkeit, Scham oder Schuld. Wenn du sehr erfahren bist, enttarnst du vielleicht schon während deines Surfens auf der Ärger-Welle, welche Gefühle sich in Wahrheit dahinter verbergen.

Ärger ist für das bewusste Fühlen eine ganz besondere Herausforderung, da er ein aktives Gefühl ist, das nach einer Handlung verlangt. Wenn du wirklich sauer bist, möchtest du dein Gegenüber anschreien oder vielleicht beleidigen. Eben das nicht zu tun, sondern statt dessen still bei dem Gefühl zu bleiben, gehört mit zum Schwierigsten, was der heilsame Umgang mit Gefühlen zu bieten hat.

  • Erinnerst du dich an eine Situation, in der du richtig ärgerlich warst?

  • Wie bist du mit dem Ärger umgegangen?

  • Welche Folgen hatte das?

  • Was hätte sich in dieser Situation verändert, wenn du auf die oben beschriebene Weise mit deinem Ärger umgegangen wärst?

Nicht ganz einfach, aber einfach hilfreich und zielführend! Probier´s aus und berichte mal!

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nach Andreas Knuf: Sei nicht so hart zu dir selbst. Selbstmitgefühl in guten und in miesen Zeiten. München 2016

Foto: Pixabay

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