Eva-Maria und Wolfram Zurhorst* schreiben: „Wann immer etwas in Ihrem Leben endet, liegt darin bereits der Same für etwas Neues. Auch wenn es sich phasenweise anfühlt, als ob alles vorbei wäre und nichts jemals weiterginge – wenn der Körper streikt, die Seele nicht mehr kann, ein geliebter Mensch sich entfernt, die Beziehung oder die Karriere zu sterben droht. In jeder Kündigung, jedem Konkurs und jeder Krise öffnet sich automatisch ein neuer Entwicklungszyklus in Ihrem Leben. Sie können verzweifeln oder sich gegen das, was geschieht, wehren. Oder Sie können wach und aufmerksam dem Prozess folgen, in der Gewissheit, dass es wieder etwas zu verändern, zu erweitern und zu lernen gibt.“
Die Autoren beschreiben auf der Grundlage ihrer eigenen Krisen Wege aus beruflichen Sackgassen und Beziehungs- und Lebenskrisen. Sie ermutigen, sich Fragen zu stellen, die vielleicht lange der Gewohnheit, dem Sicherheitsdenken und überhöhten Erfolgsansprüchen weichen mussten.
Einige davon gebe ich hier wieder – als Hilfe zur Selbsthilfe und/oder als Vorbereitung für ein Coaching.
Bestandsaufnahme I
Als Erstes braucht es eine Bestandsaufnahme. Wenn du etwas Neues willst, solltest du wissen, was du bisher über Arbeit, Wohlstand, Freiheit, Partnerschaft und Nähe geglaubt hast. Warum? Weil dieser Glauben deine jetzige Realität hervorgebracht hat. Dein momentanes Leben zeigt dir, woran du unbewusst glaubst.
Nimm dir also ein Blatt Papier und schreibe den Bereich deines Lebens auf, der dich gerade am meisten beschäftigt. Und dann stelle dir die folgenden Fragen und beantworte sie am besten schriftlich.
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Was wäre, wenn ich das, was ich gerade durchlebe, selbst erschaffen hätte?
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Was erreicht ein Mensch, der sich das erschaffen hat?
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Was erlaubt sich ein Mensch nicht, der sich das erschaffen hat?
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Was verhindert ein Mensch, der sich das erschaffen hat?
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Was fürchtet ein Mensch, der sich das erschaffen hat?
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Woran zweifelt ein Mensch, der sich das erschaffen hat?
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Was fehlt einem Menschen dadurch, dass er sich das erschaffen hat?
– emotional
– geistig
– körperlich
– finanziell
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Welche seiner negativen Erwartungen werden von anderen Menschen erfüllt?
Bestandsaufnahme II
Anschließend solltest du die Bestandsaufnahme auch in den Bereichen machen, die gut laufen. Frage dich auch da:
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Was wäre, wenn ich das selbst erschaffen hätte?
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Was erreicht ein Mensch, der sich das erschaffen hat?
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Was erlaubt sich ein Mensch nicht, der sich das erschaffen hat?
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Was bewirkt ein Mensch, der sich das erschaffen hat?
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Woran glaubt ein Mensch, der sich das erschaffen hat?
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Wovon ist ein Mensch überzeugt, der sich das erschaffen hat?
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Was gewinnt ein Mensch dadurch, dass er sich das erschaffen hat?
– emotional
– geistig
– körperlich
– finanziell
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Welche seiner positiven Erwartungen werden von anderen Menschen erfüllt?
Erfolg
„Es gibt einen großen Unterschied zwischen erfolgreichen Menschen und denen, die es noch werden wollen: Die Erfolgreichen haben bereits jede Menge Frustration hinter sich. Sie wissen, dass es einfach ein Teil des Weges ist, dass immer wieder neue Frustration auftaucht. Erfolgreiche Menschen nutzen sie, um neue Strategien zu entwickeln und zu wachsen. Wer keine Probleme haben will, sollte sich weder auf die Suche nach einer tiefer gehenden Beziehung machen noch den Weg der Berufung ernsthaft in Betracht ziehen.“
Warum willst du dich verändern?
Schreibe auf, was dir spontan in den Sinn kommt, zum Beispiel:
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Weil ich etwas Neues will.
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Weil ich mich eingeengt fühle.
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Weil ich mich hier langweile.
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Weil…
Wenn du merkst, dass die Antworten versiegen, stelle dir die Frage nochmals und warte wieder auf innere Antworten, zum Beispiel:
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Weil ich mehr verdienen möchte.
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Weil ich mich am falschen Platz fühle.
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Weil ich weiß, dass ich mehr kann.
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Weil mich hier niemand wirklich anerkennt.
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Weil ich es XY beweisen will.
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Weil…
Und dann fragst du den verdeckten Teil, der stehen bleibt und die Entwicklung blockiert: Warum hältst du fest? Notiere auch hier alle Antworten, zum Beispiel:
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Weil ich Angst vor der Zukunft habe.
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Weil ich nicht daran glaube, dass es einen Ausweg gibt.
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Weil ich keine Kraft mehr habe.
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Weil ich mich dann von meiner Familie weg bewege.
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Weil…
Und dann frage dich:
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Was würde meine Mutter/mein Vater von meinem Wunsch halten, mich zu verändern?
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Was würde meine Mutter/mein Vater in meiner Situation tun?
Warte wieder auf die Antworten und schreibe sie auf. Auch wenn du längst erwachsen bist und deinen Weg gehst: Unterschätze nicht die heimischen Prägungen! Weiter zu gehen als es unsere Herkunftsfamilien getan haben, sorgt in unserem Inneren oft für große Verwirrung und für Angst. Deshalb ist es ganz besonders wichtig, dass du dir noch einmal ganz bewusst vor Augen führst, in welcher Art die Weltbilder deiner Herkunftsfamilie begrenzt sind.
Suche dir Vorbilder
Gibt es jemanden, der dich begeistert, tief beeindruckt oder ermutigt?
Studiere diesen Menschen, seine Art, die Dinge zu handhaben und sein Leben zu meistern. Finde heraus, was er tut, wie er es tut und welche innere Haltung ihn dabei trägt. Und dann integriere das, was passt und dich anzieht, in dein Leben.
Dabei geht es nicht darum, so zu werden wie ein anderer Mensch. Es geht darum, dass du in deiner Begeisterung für eine andere Person entdecken kannst, was dich bewegt und was damit latent auch in dir angelegt ist.
Deshalb sind Vorbilder sichere Indikatoren für dein Potenzial. Während du dich begeisterst, geht etwas in dir in Resonanz. Während du ein Vorbild studierst, kannst du immer auch etwas über deine eigenen Ressourcen entdecken.
Vorbilder repräsentieren deine inneren Potenziale, die du bisher noch nicht in vollem Umfang ins Leben eingebracht hast. Mit einem Vorbild trittst du mit für deinen Weg hilfreichen, unterstützenden und erweiternden Kräften in Verbindung. Vorbilder sind Wegweiser.
Frage dich also:
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Was begeistert mich an dieser Person?
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Was berührt mich an ihrem Leben?
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Was spornt mich an?
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Was hat sie erreicht und wie hat sie es erreicht?
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Was möchte ich davon für mein Leben?
Gewohnheiten
Begegne einer scheinbar selbstverständlichen Gewohnheit in Bezug auf deine Arbeitsbedingungen und -rhythmen mit einigen Fragen:
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Empfinde ich unmittelbar Freude bei dem, was ich tue?
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Entspricht es meinem Rhythmus?
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Worauf habe ich keine Lust mehr?
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Welche Veränderung würde mir am meisten Entspannung verschaffen?
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Welche Veränderung würde mir am meisten Freude bringen?
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Wovon würde ich mich am liebsten trennen?
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Wann geht mir die Arbeit am besten von der Hand?
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Wie sähe mein idealer Arbeitsplatz aus?
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Arbeite ich lieber allein oder lieber mit anderen?
Wenn du dir mehr Nähe und Lebendigkeit für deine Partnerschaft wünschst, dann braucht es zuerst eine feine Bestandsaufnahme dessen, was dir gut tut und entspricht und was nicht. Dabei geht es oft gar nicht um die großen Themen, sondern um subtile feine Strömungen. Frage dich:
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Bin ich gelöst, wenn mein Partner nach Hause kommt?
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Wie fühlt sich unser Begrüßungskuss an?
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Haben wir einen gemeinsamen Rhythmus im Alltag?
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Weiß er, was mich im Herzen berührt?
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Fühle ich mich unterstützt und verstanden von ihm?
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Ziehe ich wirklich die Grenzen, die ich brauche?
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Wo gehe ich über mich hinweg?
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Was müsste ich endlich offen ausdrücken?
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Wo müsste ich konsequenter handeln?
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Wo opfere ich meine Lebendigkeit für Sicherheit?
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Welcher Wesenszug von mir kommt in der Partnerschaft nicht zum Tragen?
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Was bräuchte ich von mir selbst, damit dieser Wesenszug wieder Raum fände?
Wenn du wirklich auf deinen Weg willst, musst du alles zur Disposition stellen, was sich nicht gut anfühlt und nicht deinem Wesen entspricht. Wenn du nicht deinem Wesen entsprechend lebst, verkümmerst du oder wirst irgendwann krank.
Egal ob in deiner Beziehung oder in deinem Beruf:
Es braucht immer wieder Phasen, in denen du bisher selbstverständliche Abläufe und Gewohnheiten infrage stellst und durch echtere Alternativen ersetzen solltest. Wähle das Thema, das dich gerade am meisten beschäftigst und frage dich:
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Was fehlt mir am meisten?
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Was schadet mir am meisten?
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Was schwächt mich am meisten?
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Welche meiner Ziele bringen mir unmittelbares Wohlgefühl und spürbare Befriedigung? Welche sind eher äußerlich?
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Welchen Mangel, welche Unzufriedenheit in meinem Leben kompensiere ich durch Arbeit, Ablenkung oder Aufopferung?
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Wo opfere ich mich auf?
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Wo lenke ich mich ab?
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Womit kompensiere ich innere Unzufriedenheit, Angst oder Selbstzweifel?
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Wo leiste ich viel, aber ohne nennenswerten Erfolg?
Selbstverwirklichung
Fast ausnahmslos gibt es eine Ursache dafür, wenn du dich opferst, ohne Erfolg leistest, kompensierst, unter unguten Bedingungen arbeitest usw. Unbewusst gehst du den Weg von jemand anderem. Auch wenn du dich für selbstbewusst hältst, wirken in dir ausgesprochene und unausgesprochene Erwartungen aus der Herkunftsfamilie und aus deinem sozialen und beruflichen Umfeld. Nur wenn du dich der Erwartungen anderer, die in dir wirken, bewusst bist, kannst du dich entscheiden, ihnen zu entsprechen oder auch nicht. Entlarve daher die Träume der anderen in dir selbst:
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In welchen Bereichen entspricht mein Berufsleben eher den Prägungen und Wertesystemen meiner Eltern, meines Partners, meiner Freunde oder einem gesellschaftlichen Ideal als mir selbst?
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Was tue ich heute noch so, wie ich es gelernt habe, obwohl es nicht mehr richtig passt?
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Wo ähnelt mein Leben sehr stark dem meiner Eltern?
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Wo versuche ich, Idealbildern zu entsprechen und gesellschaftliche Standards zu erreichen?
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Wo habe ich das Gefühl, dass ich selbst das Ruder nicht in der Hand habe? Dass ich immer wieder Dinge tue, die mir nicht wirklich entsprechen, die mich nicht wirklich befriedigen? Die sich wie ferngesteuert anfühlen?
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In welchen Bereichen meines Lebens fühle ich mich manchmal fremd?
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Wo habe ich das Gefühl, etwas aus Verantwortung für andere heraus tun zu müssen?
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Wo versuche ich, die Bedürfnisse anderer zu leben oder mehr zu befriedigen als meine eigenen? Wo versuche ich, ihnen mit meinem Verhalten und meinem Tun Sicherheit zu geben?
Es geht bei jeder dieser Fragen ums Loslassen, ums Abgrenzen und deinen Mut, Nein zu anderen zu sagen, wenn das für ein Ja zu dir nötig ist. Es geht um Selbstverwirklichung. Nur wenn du lernst, dein Selbst zu verwirklichen, hast du anderen wirklich etwas zu geben. Wenn du dich anpasst und aufopferst, verlierst du deine Kraft, ohne wirklich etwas verändern zu können.
Große Fragen
Stelle dir einmal selbst einige große Fragen:
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Was würde ich gern auf dieser Welt verändern?
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Was ist das Wichtigste in meinem Leben?
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Was fehlt mir am allermeisten auf dieser Welt?
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Für welches Ziel wäre ich bereit zu kämpfen?
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Wofür würde ich alles geben?
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Was ist das Bedeutendste, das ich anderen und dieser Welt geben kann?
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Was liebe ich über alles?
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Wo steckt meine ganze Leidenschaft?
Und dann stelle dir vor, du wärst mit allem gesegnet, was sich ein Mensch nur wünschen kann:
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Was würdest du tun, wenn du zwanzig Millionen auf dem Konto hättest und nie mehr arbeiten müsstest?
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Was würdest du dir wünschen, wenn eine gute Fee vorbeikäme, die auch gerne mehr als drei Wünsche erfüllt?
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Was wäre das Bedeutendste, was jemand am Ende deines idealen Lebens über dich sagen könnte?
Solche Fragen schaffen Raum, damit sich das deutlicher zeigt, wofür dein Herz schlägt.
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Wie geht es dir, wenn du liest, was du aufgeschrieben hast?
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Tauchen Gefühle auf?
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Bist du bei manchem überrascht?
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Wird dir etwas klar?
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Wie groß ist der Abstand zwischen deinem inneren und deinem äußeren Leben?
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Fühlst du dich beim Lesen überfordert, eine Entscheidung zu treffen, etwas loszulassen oder einen Schritt zu tun?
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Was musst du in deinem Leben ändern, um entsprechend deiner Antworten zu leben und zu handeln?
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Was denkt ein Mensch, der so lebt, über die Bedeutung seines Lebens?
Es geht hier um den Prozess des Sich-selbst-Zuhörens. Es geht darum, Antworten eher passiv zu empfangen, als sie konzentriert und willentlich finden zu wollen.
Vielleicht setzen all die Fragen etwas in dir in Bewegung. Vielleicht weißt du, was jetzt ansteht. Vielleicht spürst du, dass du nicht mehr im gewohnten Tempo weitermachen kannst. Dass du Ruhe brauchst und gerade niemandem etwas zu geben hast. Dass du Langsamkeit und kleine Schritte brauchst, um dich selbst überhaupt (wieder) wahrnehmen und fühlen zu können.
Was ist, wenn du diesen Impulsen jetzt nachgehst?
Das kann vielleicht beängstigend sein. Du brauchst jetzt viel Präsenz. In Zeiten des Umbruchs von einem vertrauten, aber nicht mehr passenden Zustand zu einem neuen, tauchen fast immer Ängste, Verunsicherung und Zweifel auf. Und oft fühlst du dich wie in einer Achterbahn: in diesem Moment bist du beseelt von der Idee eines besseren Lebens und im nächsten wirst du von Ohnmachtsgefühlen niedergestreckt.
Viele Menschen haben kurz vor einem größeren Wandel das Gefühl, ihr Leben teile sich in zwei Hälften. Etwas drängt in ihnen auf Veränderung. Etwas anderes jedoch hält mit aller Gewalt an Gewohntem fest. An manchen Tagen bist du in freudig-kribbelnder Aufbruchstimmung und an anderen fühlst du dich wie gelähmt. Dinge, die dir bisher unwichtig erschienen, bekommen plötzlich Bedeutung. Andere, die du bisher wichtig fandest, erscheinen auf einmal fade und leer. Es ist, als ob du in der Luft hängen würdest.
Wenn du also gerade dein Leben auf einen neuen Kurs bringst, dann frage dich:
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Hilft mir das, was ich da gerade tue, auf meinem neuen Weg voranzukommen?
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Mache ich es aus echter Überzeugung?
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Bin ich mit Freude bei der Sache?
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Tue ich es wirklich von Herzen für den anderen?
Wenn nicht, frage dich, ob du deine Einstellung oder die äußeren Umstände ändern oder die Finger davon lassen könntest. Wenn du dich innerlich dagegen sträubst, die Dinge aber weiter tust, verlierst du unendlich viel Kraft dabei und tust keinem einen Gefallen damit.
Amerikas bekannteste Talkmasterin Oprah Winfrey sagt über ihren Weg:
„Meinen materiellen ebenso wie meinen geistigen Erfolg verdanke ich vor allem der Fähigkeit, auf meinen Instinkt zu hören… Das ist die Fähigkeit zu verstehen, wo der Unterschied liegt zwischen dem, was der Kopf sagt und dem, was das Herz sagt. Ich folge immer dem Herzen. Ich bin dort, wo ich heute bin, weil ich mir erlaubt habe, auf meine Gefühle zu achten.“
In diesem Sinne wünsche ich dir von Herzen alles Gute für DEINEN Weg!
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*zusammengefasst nach Eva-Maria & Wolfram Zurhorst: Liebe dich selbst und entdecke, was dich stark macht. Der Königsweg aus Burnout und Beziehungsstress. München 2. Auflage 2012
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