Psychotherapie – Resilientraining: Gefühle und Spiegelneuronen

In ihrem Buch zum Resilienztraining Body2Brain*, das ich hier schon vorgestellt habe, schreibt Claudia Croos-Müller ein sehr interessantes Kapitel zur Rolle der Gefühle und der Spiegelneuronen.

 

Gefühle sind immer dabei

Was immer du tust oder erlebst – ob du es willst oder nicht: Gefühle sind immer dabei. Ohne sie geht es nicht. Du kannst Gefühle, besonders wenn es sich um unangenehme Gefühle handelt, zwar kontrollieren, unterdrücken, verleugnen – aber vorhanden sind sie trotzdem. Und zwar in deinem Gehirn, wo sie umgehend zur Produktion von Hormonen und Neurotransmittern führen, die in deinem Körper wiederum unterschiedliche Reaktionen auslösen und sich dabei auch körperlich bemerkbar machen.

Zum Beispiel gehst du die Straße entlang und hörst einen Vogel singen. In diesem Augenblick freust du dich (Gehirngefühl) mit der biochemischen Reaktion in deinem Gehirn: der Produktion von Dopamin. Wenn du nun zu lächeln und zu pfeifen beginnst (Körpergefühl), erfolgt eine erneute Dopamin-Produktion, was unter anderem zu einer besseren Durchblutung führt.

Oder du gehst die gleiche Straße entlang und es beginnt zu regnen. Du ärgerst dich über den Regen und darüber, dass du keinen Schirm mitgenommen hast (Gehirngefühl), es erfolgt die biochemische Reaktion der Produktion von Cortisol. Nun ziehst du auch noch ärgerlich die Schultern hoch und deine Augenbrauen zusammen – eine Ärger-Körperhaltung, die noch mehr Cortisol produziert. Die Folge: Du bekommst einen Schnupfen, da Cortisol auch anfällig für Erkältungen macht.

 

Was sind eigentlich Gefühle?

Das Wort „Gefühle“ ist ein Sammelbegriff für sehr unterschiedliche Bereiche. Es wird von verschiedenen Fachrichtungen auch sehr unterschiedlich benutzt. Neurologen, Psychologen, Philosophen, Verhaltensforscher – jeder meint etwas anderes, aber ähnliches. Croos-Müller definiert in ihrem Buch als Gefühle die Emotionen und Affekte „im Zusammenhang mit einer körperlichen und sinnlichen Erfahrung durch bestimmte Erlebnisse oder Tätigkeiten, dadurch aktivierte hormonelle Vorgänge und deren Auswirkungen“ auf deinen Organismus – körperlich und geistig.

Die Frage, was Gefühle eigentlich sind, wird von den Vertretern der verschiedenen wissenschaftlichen Richtungen sehr unterschiedlich beantwortet. „Der US-amerikanische Anthropologe und Psychologe Paul Ekman spricht von sieben sogenannten Basisemotionen, die kulturunabhängig bei allen Menschen vorkommen: Freude, Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Traurigkeit und Überraschung. Der deutsche Soziologe und Psychologe Martin Dornes nennt hingegen Freude, Interesse und Neugier, Überraschung, Ekel, Ärger, Traurigkeit, Furcht, Scham und Schuld. Und bei einem Ausflug in die Antike zu Aristoteles finden sich die Begriffe Begierde, Zorn, Furcht, Mut, Neid, Freude, Freundschaft, Hass, Sehnsucht, Eifer und Mitleid.“

Zu den „guten“ Emotionen, die deine psychomentale Gesundheit unterstützen und die du mit Resilienztraining verstärken kannst, gehören: Liebe, Freude, Vertrauen und Mut, Stolz, Interesse und Empathie.

 

Die Heimtücke negativer Gefühle

Zu den „negativen“ Emotionen, die zur Produktion von Stresshormonen führen und deshalb deiner Gesundheit abträglich sind, gehören: Wut und Ärger, Hass, Ekel, Angst und Furcht, Traurigkeit und Trauer, Scham, Neid, Schuld, Enttäuschung sowie Verachtung.

Negative Gefühle bergen noch eine weitere Gefahr in sich: Affekthandlungen. Ein Affekt ist eine Gemütsbewegung von großer Brisanz, extremer Dynamik und meist nur von geringer Dauer. In diesem Augenblick sind Wahrnehmung und Aufmerksamkeit eingeschränkt und verzerrt – es besteht kein Überblick mehr, sondern im besten Fall ein Tunnelblick. Im Affekt geht die Kontrolle über Körper, Geist und Handlungen mehr oder weniger verloren. Affekthandlungen entziehen sich der Willenskontrolle mit gelegentlich katastrophalem Ausgang. Amok, Selbstmord und Totschlag sind oft Affekthandlungen.“

 

Es lässt sich alles trainieren

Croos-Müller ist zutiefst davon überzeugt, dass gute und schlechte Gefühle beeinflusst werden können. Du kannst eine Meisterin oder ein Meister der Resilienz werden oder dich fertig machen. Du hast die Wahl und bist ein freier Mensch. Alle Emotionen hinterlassen Spuren im Gehirn und haben Auswirkungen auf den Körper. „Durch zu viele/oder häufige negative Emotionen werden Transformationsvorgänge im Gehirn blockiert. Durch gutes Erleben und häufiges Üben von Körpertechniken, die positive Emotionen erzeugen, werden hingegen strukturelle Musteränderungen im Gehirn und somit Reaktionsänderungen möglich.“

Wenn du also etwas für deine psychomentale Gesundheit, deine Resilienz und Lebenskraft tun willst, musst du für gute Gefühle sorgen.

Wie geht das aber jetzt: gute Gefühle trainieren, schlechte Gefühle vermeiden und beenden? Die Autorin meint, es gibt unzählige Möglichkeiten, gute Gefühle und somit deine Resilienz konkret zu schulen und zu stärken, z.B.:

Autogenes Training, Yoga und/oder Meditation praktizieren,

singen, musizieren, ein Hobby in der Natur ausüben, lustvollen sinnlichen oder körperlichen Tätigkeiten nachgehen,

deine Charaktertugenden stärken und ergänzen.

 

Stresshormone

Was die Stresshormone angeht, so ist die Dosis entscheidend. Dein Körper und dein Gehirn sind „ein pharmazeutisches Großunternehmen, was die Produktion von Hormonen, Enzymen, Neurotransmittern und – gesetzeskonformen – Drogen betrifft. Grundsätzlich ist jede der produzierten Substanzen lebenswichtig, es gibt nicht auf der einen Seite die bösen und auf der anderen Seite die guten. Ein schädigender Effekt entsteht erst durch das Andocken an einer falschen Stelle oder durch eine zu hohe oder zu niedrige Konzentration.“ Diese hängt nicht nur von deiner Lebensführung ab, sondern auch von deiner Resilienz. Je ausgeglichener und stabiler deine allgemeine innere Verfassung ist, desto ausgeglichener ist deine Biochemie.

 

Adrenalin

Bei der Wahrnehmung von Gefahr informiert das Gehirn die Nebennierenrinde und diese produziert Adrenalin. Diese Substanz wird sofort in die Blutbahn gepumpt und sorgt für eine Verengung der Blutgefäße, eine Erhöhung der Herzfrequenz und des Blutdrucks, ein Zusammenziehen des Magens sowie eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels. Der Körper ist in Alarmbereitschaft und fluchtbereit.“ Ist das häufig der Fall, weil du dich z.B. in einer Situation von Dauerärger oder Dauerstress befindest, kann es durch den Überschuss von Adrenalin langfristig zu einer Depression kommen.

 

Noradrenalin

Diese biochemische Substanz ist mit dem Adrenalin verwandt und hat dementsprechend einen ähnlichen Effekt. Sie verengt vor allem die kleinen Arterien und ist somit ein biochemischer Mitverursacher für durch Ärger verursachten Bluthochdruck.

 

Cortisol

Cortisol ist ein lebenswichtiges Hormon. Es sorgt unter anderem dafür, dass dem Körper Energie in Form von Zucker zur Verfügung steht, und hilft beim morgendlichen Aufwachen. Seine Konzentration unterliegt einem Tagesrhythmus – morgens hohe Werte, im Lauf des Tages weniger, bei Stress leider extreme Schwankungen mit Spitzenwerten. Das kann zu Entzündungsreaktionen führen und anfällig für Infektionen machen.“

 

Resilienzsubstanzen“

Und dann sind da noch die, die vorwiegend positiv wirken, je nachdem, wie das Gehirn entscheidet. (…)

 

Dopamin

Dopamin ist ein Neurotransmitter, also ein Botenstoff, und hält sich am liebsten im Hirnstamm und Zwischenhirn auf. Es wird aus einer Aminosäure produziert, hat viele unterschiedliche Wirkungen, ist unter anderem antriebssteigernd und hängt mit dem Belohnungssystem im Gehirn zusammen. Ein Mangel führt zu mieser Stimmung und Depression.

 

Serotonin

Dieses lebenswichtige Hormon ist ebenfalls ein Neurotransmitter und kommt außer im zentralen Nervensystem auch besonders konzentriert im Darm vor. Serotonin beeinflusst viele Bereiche, unter anderem Schlaf und Appetit und – natürlich – die Stimmung. Es wirkt aggressionshemmend und dämpft Angstgefühle. Auch Serotoninmangel führt zu Depression. Es wird aus der Aminosäure L-Tryptophan gebildet, einem Stoff, der nur in der Nahrung vorkommt, insbesondere in Sojabohnen, Kakao und Fleisch. Vielleicht essen manche Menschen bei Stress deshalb reflexartig mehr – in der falschen Hoffnung auf mehr antidepressive Serotoninproduktion. Auch Pflanzen produzieren Serotonin.

 

Endorphine

Endorphine werden etwas unzutreffend als körpereigenes ´Opium` bezeichnet. Sie sind eine Art Proteine, die unter anderem wie Schmerzmittel wirken. Sie werden bei einem Körpertraining wie zum Beispiel Joggen freigesetzt, aber der Körper setzt sie auch als Notfallprogramm bei Verletzungen ein, damit wir nicht vor Schmerz gelähmt sind. Dies ist ein Grund dafür, dass wir im ersten Augenblick oft gar keinen Schmerz spüren. Um positiv wirken zu können, brauchen Endorphine das Dopamin und bestimmte ´Ankerplätze` an Nervenzellen, dann wirken sie als Glückshormone.

 

Oxytocin

Dieses Hormon wird im Zwischenhirn gebildet und beeinflusst in vielerlei Hinsicht unser Sozialverhalten. Es wird unter anderem mit Zuständen wie Liebe, Vertrauen und Ruhe in Verbindung gebracht. Und es hat eine beruhigende und bei Streit deeskalierende Wirkung. Ganz wichtig im Zusammenhang mit Körpertherapie und Body2Brain: Angenehme Berührungen der Haut, Singen, Sinneswahrnehmungen wie gute Gerüche, schöne Klänge oder Farben produzieren Oxytocin.“

 

Spiegelneuronen und Gefühle

Spiegelneuronen sind wichtige Nervenzellen im Zusammenhang mit unserem Verhalten und den Gefühlen. „Die Forschung nimmt ein Netzwerk aus diesen Neuronen im Gehirn an. Diese Nervenzellen führen dazu, dass beim Betrachten eines Vorgangs, eines Gegenstandes oder einer Person“ in deinem Gehirn ein Aktivitätsmuster entsteht, als ob du selbst der aktive Teil wärst. Wenn du z.B. einer Person beim Laufen zusiehst, werden dabei in deinem Gehirn die gleichen Bereiche aktiv, die auch dann aktiv sind, wenn du selbst läufst. „Die Neurowissenschaft konnte nachweisen, dass auch bei emotionalen Handlungen (und jede Handlung ist mit einem Gefühl verbunden) Spiegelneuronen aktiv werden.“

Wenn du ein Baby anlächelst, lächelt es meistens zurück. Schaust du es dagegen grimmig an, wird es auch das Gesicht verziehen, was beim Baby aber Angst und Tränen auslöst.

Aufgrund solcher komplexer neuronaler Verschaltungen haben deine Gefühle auch immer Einfluss auf deine Mitmenschen – und umgekehrt. Gehe daher am besten „psychopathischen Monstern und deren hoher Ansteckungsgefahr mit negativen Gefühlen möglichst aus dem Weg.“ Charaktertugenden führen dagegen für gute Gefühle bei dir selbst und anderen und machen dich langfristig glücklicher und nicht zuletzt auch erfolgreicher.

Dr. med. Claudia Croos-Müller beendet dieses Kapitel mit einem derart passenden Schlusssatz, dass ich ihn nur übernehmen kann: „Es gibt viele Gründe, für gute Gefühle zu sorgen.“

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Dr. med. Claudia Croos-Müller: Kraft. Der neue Weg zu innerer Stärke. Ein Resilienztraining. München 2015

Foto: Pixabay

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