Selbstversuch 2 – Dynamische Entspannung

Neulich habe ich im Psychotherapie-Blog das folgende Buch vorgestellt:

 

Peter Bergholz: Dynamische Entspannung. Innere Ruhe und Stärke durch die Kraft der Bewegung

München 2012

 

und von einem ersten Selbstversuch 28 Tage mit der Dynamischen Entspannung

berichtet. Da ich mit dem Üben nicht so am Ball geblieben bin wie geplant, habe ich eine vierwöchige Verlängerung organisiert und versprochen, wieder von meinen Erfahrungen zu berichten.

Meine Erfahrungen – Woche 1

Am Montag gehe ich frisch ans Werk und habe mit der Entspannungs-Übung der sieben Gelenk-Hotspots wieder genauso viel Spaß wie beim ersten Mal, woran die Auswahl der Klassikstücke einen erheblichen Anteil hat. Das unregelmäßige Üben scheint sich nicht nachteilig ausgewirkt zu haben. Ganz im Gegenteil: Ich knüpfe freudig und leicht an meine Vorerfahrungen an.

Bereits am Montag Nachmittag mache ich allerdings die Erfahrung, dass zurück zu Hause und im Alltag – natürlich – keineswegs automatisch bedeuten, dass alles nach Plan läuft. Ganz im Gegenteil: Eine unerwartete schlechte Nachricht zieht ganz viel Handlungsdruck nach sich. Vieles steht in Frage, ich stehe Kopf und das beeinflusst den ganzen Dienstag komplett. Ich bin nur noch mit Schadensbegrenzung, Informieren, Kommunizieren, Entscheiden und Regeln beschäftigt, habe von früh bis spät wahnsinnige Kopfschmerzen und denke nicht einmal an das Üben. Dagegen ist meine tägliche Laufrunde schon lange zu einem festen Bestandteil meines Lebens geworden und die geht nahezu immer und tut auch immer gut. Am Abend bitte ich meinen Liebsten vor dem Schlafengehen um eine Fußmassage und bin mal wieder verblüfft, was diese wenigen Minuten ausmachen: Ich kann wieder durchatmen, entspanne mich spürbar und wache am nächsten Tag mit klarem Kopf und einer gesunden Portion Mut und Tatkraft auf.

Am Mittwoch wiederhole ich die rote Reise und finde das darin enthaltene Mantra „Ich mache es, ich schaffe es, es wird gelingen!“ ermutigend und unterstützend.

Der Donnerstag läuft ähnlich wie der Dienstag und ich entscheide mich lieber für das Laufen. Wenn viel Druck und Action im Außen da sind, bevorzuge ich mindestens 30, lieber 45 – 60 Minuten Laufen an der frischen Luft mit dem Blick ins Grüne und in die Weite.

Am Freitag bringe ich in meinen Meditationskreis eine 20minütige Körperreise mit Klangschalen ein und überrasche mich selber damit, wie viel Gewicht ich dabei auf die Bedeutung und die Wertschätzung der Gelenke lege.

Samstag nehme ich an einem Workshop zur Augenentspannung mit Feldenkrais teil. Mein persönlicher Schwerpunkt lag auf dem Augentraining, der der Kursleitung leider auf dem Feldenkrais. Zwar habe ich die Wirkung dieser sanften Methode schon vor 30 Jahren einmal erfahren. Ebenso habe ich aber auch gemerkt, dass die mich nicht so anspricht. Im Laufe dieses Workshops wird mir dann auch klar, woran das liegt: Ich bevorzuge das Arbeiten mit Polaritäten wie Anspannen und Entspannen, Dynamik und Entspannung. Da habe ich mit Walken, Yoga sowie Achtsamkeit und Meditation meinen Weg gefunden. Außerdem mag ich entweder kürzere Übungen wie bei meinen Achtsamkeits-Workshops oder in meinen Meditationsgruppen oder sehr harmonische (und gerne auch konträre) Übungsfolgen, die eine runde Sache und ein großes Ganzes bilden. Das ist zum Beispiel in meinem Lieblings-Yoga-Haus in Andalusien in den Yogastunden der Fall.

Fazit zum Samstag: Macht nichts. Zwar bedaure ich, nicht wirklich auf meine Kosten gekommen zu sein. Auf der anderen Seite finde ich es wichtig, auch mal was Neues auszuprobieren. Im besten Fall bekommst du dabei wichtige Impulse, im schlechtesten Fall sagst du: „Danke, gerne nicht wieder.“ Das ist schade, aber nicht schlimm.

Fazit zur ersten Woche:

Es geht nicht darum, sklavisch meine Pläne in die Tat umzusetzen und hier als die Vorzeige-Powerfrau aufzutreten. Vielmehr beobachte ich genau, was geht und was nicht und woran das liegt. Von daher bin ich sehr gespannt auf die zweite Woche!

 

Woche 2

Am Montag entscheide ich mich wieder fürs Laufen und das tut mir gut. Den An- und Entspannungsmodus meines Kiefers habe ich dabei wieder ganz gut im Blick.

Am Dienstag macht mir das Nimm-2-Training mit den eher weichen Einklangsbewegungen Freude und ich spiele mit verschiedenen Bewegungs- und Kombinationsmöglichkeiten herum. Es ist spürbar, dass sich dieser spielerische Modus auf die nachfolgenden Aktivitäten auswirkt.

Mittwoch gönne ich mir einen Wellness-Abend. Erst gehe ich ausgiebig laufen, dann genieße ich ein warmes Fußbad mit anschließender Fußpflege. Es folgt eine sanfte Yoga-Session mit Anfangs- und End-Entspannung und viel liebevoller Achtsamkeit. Daran schließe ich noch eine Augenübung an und finde die gesamte Session im Anschluss richtig gut und beschließe, das wieder öfter zu tun!

Am Donnerstag bin ich den ganzen Tag unterwegs und merke in einer sehr angespannten Situation, wie schnell ich mit einer mittleren Laufeinheit Druck und Spannung abbauen kann.

Freitag reicht es nur für eine Mini-Laufrunde. Das ist mir nicht genug und wirkt sich ungünstig auf den ganzen Tag aus. Ich nenne das „nicht artgerechte Haltung“: Wenn ich fast den ganzen Tag sitzen muss, werde ich zunehmend unzufrieden, unruhig und angespannt. Wenn ich hingegen meinen Auslauf bekomme, ist alles gut.

Auch am Samstag bin ich den ganzen Tag unterwegs, verschaffe mir aber mit Nachdruck eine Runde durch den Wald und genieße die aromatische feuchte Waldluft. Ich werde mir mal genauer überlegen, wie ich mir auch in Gesellschaft die nötige Bewegung ermöglichen kann, ohne andere vor den Kopf zu stoßen.

Sonntag bekomme ich endlich wieder richtig Auslauf und das tut sehr gut. Ich merke, wie ich immer mehr zu mir komme, Dinge sortiere und kläre und Entscheidungen treffe, ohne lange darüber nachzudenken. Es ist so, als würde sich draußen bei der Bewegung in der frischen Luft vieles von selbst einordnen und priorisieren und das ist gut so!

Am Abend schaffe ich mir Zeit für die blaue Reise in den inneren Einklang und bin wieder etwas genervt von der dynamischeren Musik, kann mich auf die ruhigeren Stücke aber lustvoll einlassen und genieße das.

Anschließend kann ich mich dann ebenso ruhig, fokussiert, aber auch ehrlich auf das nachfolgende Treffen einlassen.

Fazit zur zweiten Woche

Der Wechsel bzw. die Kombination von Dynamischer Entspannung, Laufen und Yoga gefällt mir sehr gut und die Ergänzung durch Achtsamkeit und Augenübungen auch.

Beim Schreiben merke ich deutlich, wie sehr mir diese Zusammenfassung als Selbstfeedback dient und wie deutlich mir das zeigt, wo ich gerade stehe. Das gefällt mir. Daher sind kleine Feedback-Runden auch ein essentieller Bestandteil aller meiner Veranstaltungen. Es ist ein spürbarer Unterschied, ob ich Erfahrungen „nur“ mache oder diese auch ausdrücken kann und darauf eventuell noch eine Antwort bekomme. Das kann festigen und verankern oder relativieren und trösten – was beides ganz wichtig ist.

 

Woche 3

Montag entscheide ich mich wieder für das Nimm-2-Training vor meinem kulturellen Abendprogramm, das ich dann anschließend auffallend fröhlich und relaxed angehe.

Dienstag habe ich den ganzen Tag hormonell bedingte Kopfschmerzen. Daher entscheide ich mich am Abend für ein Mentaltraining – Selbsthilfe durch Selbsthypnose. Dabei mache ich es mir mit Wärmedecke und Kerzen richtig kuschelig und versorge mich außerdem mit Pfefferminzöl und einem schönen kühlen Magnesit auf der Stirn. Leider habe ich danach immer noch starke Kopfschmerzen, bin aber insgesamt nicht mehr so verspannt und gehe früh ins Bett.

Am Mittwoch erlebe ich dann bei meiner Shiatsu-Freundin die neulich verabredete Behandlung zur Kiefer-Entspannung. Dabei handelt es sich um eine Methode aus der Kinesiologie. Sie heißt R.E.S.E.T. Kiefergelenks-Balancing, wurde von dem Australier Philip Rafferty entwickelt und ist so gar nicht meins. Die Begleit-CD mit Meeresrauschen und Glockentönen ist sehr angenehm, aber der Ablauf ist mir viel zu starr. Auch entwickele ich sofort einen Widerstand dagegen, dass mir angesagt wird, wann ich den Kiefer öffnen oder schließen soll. Angeregt durch die Dynamische Entspannung weiß ich nämlich mittlerweile ganz genau, wie sich mein Kiefer anfühlt, wenn er optimal entspannt ist. Dann ist er nämlich weder ganz geöffnet noch ganz geschlossen, sondern ganz locker dazwischen. Und das ist auch gut so und soll auch so bleiben! Nächstes Mal gibt es also wieder Shiatsu!

Angeregt durch die Übung „Die Glücksspirale: Tägliche Lebensfreude“ aus dem Buch Dein Bauch ist klüger als du“ von Gerda Boyesen und Peter Bergholz habe ich mir die CD „Kraftquelle. Meditation zur Aktivierung von Kraft und Ruhe“ von Gerd B. Ziegler und Shantiprem bestellt und am Donnerstag ausprobiert und finde es super!

Die Meditation besteht aus fünf Phasen:

1. Laufen auf der Stelle,

2. Arme schwingen und Laute ausrufen,

3. um die eigene Mittelachse schwingen,

4. das universelle OM Mantra singen und

5. Sitzen oder Liegen in der Stille).

Ich hatte mich schon den ganzen Tag auf die Übung am Abend gefreut und die Durchführung macht richtig Spaß. Auch merke ich schnell, dass ich die Meditation schon einmal in einem Yoga-Urlaub gemacht habe und das verstärkt die Freude noch. Die verschiedenen Phasen mit anfänglicher Bewegung und Temposteigerungen bei der Musik, die dann zur Ruhe hinüberführen, kenne ich aus dynamischen Meditationen von Osho. Insgesamt stehe ich dieser Person sehr ambivalent und kritisch gegenüber, aber die Kombination von Bewegung und Meditation in Stille macht bei westlichen Menschen unbedingt Sinn.

Freitag bin ich müde und mir ist nach einem Gegenprogramm so ganz ohne Action. Da ich ohnehin in der Bücherhalle bin, schaue ich gleich mal nach geführten Meditationen und nehme einen ganzen Stapel mit. Abends mache ich es mir wieder so richtig gemütlich mit Tee, Kerzen und Kuscheldecke und mache eine Körperreise mit Wohlfühlort. Letzteren verschlafe ich, wache vom Geräusch des CD-Players auf und schließe eine geführte Selbstheilungs-Meditation an. Auch hier verschlafe ich einen großen Teil und ärgere mich nicht darüber, sondern freue mich, dass ich loslassen kann. Doof ist nur, dass mich Kerzen löschen, aufräumen und bettfertig machen dann wieder so wach machen, dass ich dann im Bett nicht einschlafen kann. Also werde ich das nächstes Mal besser als Pause zwischendurch oder gleich zum Einschlafen im Bett praktizieren.

Da ich ja aus meinen Fehlern lerne, mache ich es dann am Samstag richtig und nehme die Selbstheilungs-Meditation mit ins Bett. Nach kurzer Zeit schlafe ich darüber ein und friedlich durch bis zum nächsten Morgen. Da es noch früh ist, hole ich mir ein Hörbuch ins kuschelig warme Bett und starte danach entspannt in den sonnigen Sonntag. Das nenne ich jetzt mal Selbstfürsorge! Beim Duschen entscheide ich mich, nach diesem zweiten Selbstversuch mit der dynamischen Entspannung zukünftig wieder Übungen zur Augenentspannung als festen Bestandteil in mein Leben zu integrieren. Zur Zeit habe ich ein Thema mit den Augen und mache mir da auch große Sorgen, weil nicht wieder alles gut werden wird. Von daher ist es mehr als sinnvoll, mich diesem Bereich stärker zuzuwenden und ihm Gutes zu tun.

Fazit zur dritten Woche:

Ich erinnere mich an das Fazit zur ersten Woche: Es geht mir hier nicht darum, zwanghaft meine Pläne in die Tat umzusetzen, sondern zu schauen, was geht. Und was geht ist eine Kombination der neuen Methode mit solchen, die ich schon lange kenne und praktiziere. Den großen Unterschied macht nur das MACHEN: Meditiere ich grundsätzlich oder tatsächlich? Weiß ich, dass mir Laufen und Entspannungsübungen gut tun oder baue ich beides auch in meinen Alltag ein? Ich weiß, das ist total banal und keine neue Weisheit. Dennoch macht es DEN Unterschied und wir wissen es und machen es nicht! Das ist fast immer so. Deshalb beobachte ich gerade genau, was ich mache und warum – oder eben nicht.

 

Woche 4

Montag habe ich einen sehr vollen und dynamischen Tag, aber von der angenehmen Sorte. Die Wege von und zu allen Terminen lege ich ausschließlich zu Fuß zurück. Dadurch habe ich über den ganzen Tag verteilt ausgesprochen viel Bewegung und das tut mir so gut, dass ich am Abend aussehe wie das blühende Leben. Die eigentlich geplante Augenübung kriege ich nicht untergebracht – das typische Phänomen bei der geplanten Etablierung neuer Gewohnheiten…

Auch der Dienstag ist sehr voll, aber von der hektischen und unangenehmen Sorte und ich werde zunehmend genervt und gereizt. Wenn man sich dann kurz vor dem Schlafengehen noch heftig mit dem (eigentlich) Liebsten streitet und dabei zu keiner Lösung kommt, kann eine Meditations-CD im Bett auch nur noch zur Schadensbegrenzung beitragen und keine Wunder bewirken…

Mittwoch bin ich dann sehr müde und demoralisiert, bekomme aber trotzdem eine Menge Gutes hin und am Nachmittag vertragen wir uns wieder. Da ich direkt anschließend lange mit der geliebten Freundin telefoniere, klappt es auch heute wieder nicht mit der geplanten Augenübung, s. Montag.

Donnerstag kriege ich dann nach dem Yoga endlich die Kurve zum Augentraining* und absolviere gleich mehrere Übungen hintereinander: Therapeutisches Gähnen mit Klopfmassage, Schmetterlings-Blinzeln, Finger-Malen, optisches Fasten mit Wolken-Imagination, Augen-Akupressur und optisches Fasten mit Brummtönen. Es ist so easy und macht so viel Spaß, dass ich gar nicht aufhören mag. Und zum Schluss kommt meine allerliebste Übung: die Anregung der Selbstheilungskräfte. Dabei stelle ich mir vor, wie freundliche Wichtel meine Augen putzen. Zum Beispiel putzen sie die Linse im Auge, „bis sie wie ein Bergkristall schimmert“ – das ist ja voll meins jetzt! Am Ende der Übung nehmen sie „ihre Eimerchen und Putzlappen und in einer Reihe, mit einem Lied auf den Lippen, verschwinden sie in der Dunkelheit“. Ist das nicht herzallerliebst!?! Wer denkt sich bloß so etwas aus!?! Zauberhaft!

Freitag versorge ich zu Anfang gleich meine Meditationsrunde zur Anfangsentspannung mit einer Runde Augen palmieren und entspannen und das wird gut angenommen. Im Anschluss mache ich wieder die 5-Phasen-Meditation von letztem Donnerstag.

Samstag sitze ich den ganzen Tag in einem Seminar über Hochsensibilität. Die Kursleiterin vermittelt nicht nur wichtige Inhalte, sondern versteht auch etwas von Methodik und Didaktik und streut verschiedene Achtsamkeits- und Bewegungsübungen ein. Einige bestehen aus ganz kurzen Mini-Einheiten mit Ausschütteln und helfen, den langen und intensiven Tag gut und konzentriert zu überstehen.

Sonntag beschränke ich mich aufs Laufen und habe den Auslauf mal wieder so richtig nötig.

 

Fazit insgesamt

Ich wiederhole mich: In dieser Verlängerung habe ich genau beobachtet, was bei mir funktioniert und was nicht. Dabei stelle ich fest, dass mir die flexible Kombination von verschiedenen Arten der Entspannung am besten gefällt. Das Aufschreiben dient mir dabei als Selbstfeedback und hilft bei der Klärung. Und am wichtigsten ist immer: Machen statt Reden und guter Vorsätze. Einfach machen – und zwar so lange, bis die Lieblingsübungen ganz selbstverständlich zum Leben dazugehören.

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*Wolfgang Hätscher-Rosenbauer: Besser sehen in täglich 5 Minuten. München 2011

Foto: Pixabay

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