Meditation: Tiefes Verstehen und Vergeben

Vergebung wird häufig missverstanden. Vergebung bedeutet nicht, unethisches oder schädliches Verhalten gutzuheißen. Oder deine Werte und schützenden Grenzen aufzugeben.

Vergebung ist weise, weil die vergebende Person tief verstanden hat, was die Person, die sie verletzt hat, bewegt hat so zu handeln. Und welche Ressourcen diese Person zu Einsicht und zu Rehabilitation hat. Ein weiser und gerechter Richter würde den Angeklagten hören und verstehen wollen. Um dann in Anbetracht aller Umstände, die zur Tat geführt haben, ein faires Urteil zu fällen. 

Der Prozess der Vergebung

Vergebung ist ein Prozess und geschieht nicht auf Knopfdruck. Echte Vergebung ist ein persönlicher innerer Prozess, in dem es darum geht,

1. zu erkennen, dass Wohlwollen und Liebe unserem Wohlbefinden zuträglicher sind

als Wut, Groll und Hass,

2. tief zu verstehen, warum der andere so gehandelt hat, um dich zu verletzen, und

dass sie/er vielleicht selbst leidet und

3. aus diesem tiefen Verstehen der Beweggründe heraus zu beginnen, in deinem

Tempo Wohlwollen und Vergebung der Person gegenüber zu entwickeln, die dir

geschadet hat. Und vielleicht dir selbst gegenüber, wenn du der anderen Person

auch geschadet hast.

Vergebung ist ein Prozess. Mitgefühl hilft dir, Verletzungen zu umsorgen und loszulassen – Schritt für Schritt. Erkenne dabei an, wie wenig Kontrolle du als normaler Mensch manchmal über das hast, was du in Momenten von Wut oder Frust sagst oder tust. Das entschuldigt das Verhalten nicht, hilft aber, deine Fehlbarkeit anzuerkennen, zu vergeben und daraus zu lernen – immer wieder neu.

Übung: Tiefes Verstehen und Vergeben

Diese Übung kann der Beginn des Prozesses des Vergebens sein, wenn du dafür bereit bist. Diese Übung ist anspruchsvoll. Daher hilft es, wenn du dir bereits Selbstmitgefühl schenken kannst. Es ist auch weise, die eigene Wut und die eigenen Grenzen kennenzulernen, bevor du Vergebung übst. Geh im Tempo deines Herzens vor! Vergebe dann, wenn es sich für dich persönlich richtig anfühlt. Und nicht, weil „man das tun sollte“! Es ist empfehlenswert, bei der Übung deine Beweggründe tief zu erforschen und aufzuschreiben. Diese Übung wurde von Kristin Neff und Christopher Germer als Teil des Kurses Mindful Self-Compassion (MSC) entwickelt.

Selbstmitgefühl bei Verletzung bedeutet, deine Wut zu hören, den Schmerz darunter zu umsorgen und durch tiefes Verstehen unserer Menschlichkeit zu beginnen, dir und anderen zu vergeben.

  • Denke an eine Person, die dich verletzt hat und der du nun wirklich bereit bist zu vergeben.

  • Lass es zu, den verbliebenen Schmerz in deinem Körper zu spüren. Erkenne den Schmerz liebevoll an. Umsorge dich dafür, dass du diesen Schmerz erfahren hast.

  • Wenn es sich richtig anfühlt zu vergeben, dann frage dich, welches Universum von Faktoren auf die Person eingewirkt hat, dass sie so gehandelt hat:

    Bedenke die Faktoren, die deren Persönlichkeit geprägt haben (etwa prägende Erfahrungen in der Kindheit, genetische und kulturelle Einflüsse usw.).

    Bedenke die Faktoren, die in dem Moment der Verletzung auf die Person eingewirkt haben mögen (wie Stress, Schlafmangel, Krankheit usw.)

  • Wenn du magst, beginne der anderen Person zu vergeben – vielleicht indem du innerlich wiederholst: „Möge ich anfangen, dir zu vergeben, was du absichtlich oder unabsichtlich getan hast, um mir zu schaden.“

  • Was kannst du tun, um nicht mehr auf diese Weise verletzt zu werden?

  • Wenn du magst, beschließe, dich so gut wie möglich davor zu schützen, wieder so verletzt zu werden.

    Selbstvergebung

    Vielleicht erkennst du, dass du diese Person oder jemand anderen verletzt hast und darunter leidest. Wiederhole die obigen Schritte für dich:

  • Welche Auswirkungen hatten deine Worte oder Handlungen auf die andere Person?

  • Lasse dich alles fühlen, was auftaucht – Scham, Schuld, Reue – wissend, dass es zutiefst menschlich ist, Fehler zu machen und auch andere zu verletzen. Gib dir ganz viel Selbstmitgefühl!

  • Warum hast du so gehandelt? Welche Faktoren haben auf dich eingewirkt? Stress? Unaufmerksamkeit? Persönlichkeit? Frühere Erfahrungen?

  • Wiederhole innerlich die Worte: „Möge ich anfangen, mir zu vergeben, was ich absichtlich oder unabsichtlich getan habe, um dieser Person zu schaden.“

  • Vielleicht möchtest du beschließen, dein Bestes zu tun, daraus zu lernen und – wenn stimmig – sich bei der anderen Person zu entschuldigen.

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Text abgewandelt entnommen aus dem Buch:

Christine Brähler; Selbstmitgefühl entwickeln. Liebevoller werden mit sich selbst. München 2015

Foto: Pixabay

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