Achtsam sein ist in Wahrheit so leicht, dass du es kaum glauben möchtest. Aber du bist es gewohnt, dich anstrengen zu müssen, um Veränderungen zu erreichen. Daher fällt es dir manchmal schwer, dich zu entspannen und Ruhe in der Einfachheit zu finden. Du glaubst, alles müsse mühsam sein. Das ist aber nicht der Fall. Es gibt keinen Grund, dir die Dinge schwerer zu machen als nötig.
Erleichtere dir dein Achtsamkeitstraining, indem du jeden Tag demselben Plan folgst. Dadurch verhinderst du, dass du dich immer wieder in Gedanken darüber verlierst, wie du vorgehen sollst – ob du früher oder später anfängst, dich für die eine oder andere Übung entscheiden sollst, ob du überhaupt Zeit hast, ob zwanzig Minuten nötig sind oder ob zehn Minuten nicht völlig ausreichen. Ersticke diese inneren Diskussionen im Keim und folge einfach deinem Plan.
Gib deinem Training eine übersichtliche Struktur: immer zur gleichen Zeit am gleichen Ort die gleiche Übung. Wiederholungen und Einfachheit schaffen innere Ruhe.
Hört sich das für dich langweilig an? Kann schon sein. Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, dass sich alles ständig verändert und wir zahlreiche Wahlmöglichkeiten haben, dass Wiederholungen uns schnell ermüden.
Versuche es doch einfach mal probehalber für drei Wochen mit dieser schlichten Struktur. Du wirst überrascht sein, wie viel du damit erreichst. Vielleicht machst du sogar die Erfahrung, dass Wiederholungen gar nicht langweilig sind, sondern im Gegenteil viel Kraft geben. Und möglicherweise entdeckst du auch, dass deine bisherige Annahme, ständig Veränderungen zu brauchen, um dich nicht zu langweilen, falsch war.
Wenn du Achtsamkeitsübungen machst, kommst du unweigerlich mit deiner Ungeduld und Ruhelosigkeit in Kontakt. Vielleicht spürst du den Drang, aufzustehen und etwas anderes zu tun. Oder du langweilst dich, willst alles schnell hinter dich bringen und hast bereits andere Dinge im Kopf. Möglicherweise empfindest du die Übungen als Zeitverschwendung. Oder du denkst, dass du ein ganz anderer Mensch sein solltest. Du wertest und urteilst.
Genau das sind die Momente, in denen du deine Achtsamkeit trainierst: wenn dir deine Gedanken, Gefühle und Impulse bewusst werden und du es unterlässt, ihnen automatisch zu folgen. Wenn es dir gelingt, deine Ruhelosigkeit, Selbstkritik und Ungeduld einfach wertfrei zu beobachten, ohne sofort etwas ändern zu müssen.
Was ist dein Warum?
Es motiviert und entlastet deine Willensstärke und Selbstdisziplin, wenn du dir vergegenwärtigst, warum du Achtsamkeit praktizieren möchtest.
Übung
Frage dich:
– Warum genau möchtest du achtsamer werden?
– Welche Absichten stecken dahinter?
– Welches Ziel möchtest du gerne erreichen?
– Was hättest du davon?
– Gibt es andere Menschen, die von deiner Achtsamkeit profitieren würden?
– Welche Absichten könnten sich motivierend auf dein tägliches Training auswirken?
Es ist von entscheidender Bedeutung, ob du weißt, warum du Achtsamkeit praktizieren möchtest. Ob du dadurch geduldiger und liebevoller, ein/e bessere/r Partner/in oder Kollege/in werden möchtest, ob du mehr Lebensfreude, Begeisterung und innere Ruhe anstrebst, dein Selbstwertgefühl stärken oder mehr Verantwortung für andere Menschen übernehmen willst, ob du dir selbst und anderen mehr Freude bereiten möchtest etc.
Deine übergeordnete Intention könnte sich etwa folgendermaßen anhören:
Ich habe die Absicht, meine Empfindsamkeit zu schützen und inneren Frieden zu finden, indem ich das Leben nicht ständig beurteile, sondern es so nehme, wie es ist – mit Akzeptanz, Geduld und Freundlichkeit.
Oder:
Ich möchte die Kraft und die innere Ruhe finden, um der Mensch zu sein, zu dem ich erschaffen wurde, um mir selbst und anderen Freude zu bereiten.
Es kann sehr motivierend sein, die Absichten zu formulieren, die du mit deinem täglichen Achtsamkeitstraining verbindest. Diese können von Tag zu Tag variieren, zum Beispiel:
– Heute möchte ich meine Empfindsamkeit schützen.
– Heute möchte ich aufmerksam und gegenwärtig sein.
– Heute möchte ich mir meiner Gedanken bewusst werden.
– Heute möchte ich meine Gedanken loslassen.
– Heute möchte ich mir meiner Gefühle bewusst werden.
– Heute möchte ich mich selbst spüren.
– Heute möchte ich geduldig mit mir selbst sein.
– Heute möchte ich geduldig mit anderen sein.
– Heute möchte ich die Stille spüren.
– Heute möchte ich innere Ruhe finden.
– Heute möchte ich andere Meinungen tolerieren.
– Heute möchte ich weder be- noch verurteilen.
Dass ich dir an dieser Stelle empfehle, deine Absichten zu klären, mag ein wenig widersprüchlich erscheinen – da es ja zu den Prinzipien der Achtsamkeit gehört, keine bestimmten Ergebnisse anzustreben. Doch in diesem Fall dient es dazu, dich zu motivieren und dir zu helfen, mit deinem Training zu beginnen und dranzubleiben. Sobald es dir gelungen ist, die Achtsamkeitsübungen zu einem selbstverständlichen Teil deines Alltags zu machen, brauchst du deine Absichten nicht mehr zu definieren und kannst den Wunsch nach einem bestimmten Resultat loslassen.
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Dieser Text stammt – leicht abgewandelt – aus dem Buch: „Seelenschutz für Hochsensible“ von Susanne Moeberg, München 2013
Foto: Pixabay