Wie du dich selbst erlebst
In deiner Brust wohnen zwei Seelen.
Bei dir kommt selten ein Gefühl
ohne sein Gegenteil einher.
Du bist wie zwei Fische:
Der eine schwimmt gegen den Strom –
kämpft, arbeitet und behauptet sich.
Der andere lässt sich treiben,
schwimmt mit dem Strom,
erkämpft sich nichts und fällt nicht auf.
Ein stiller Ringkampf findet in dir statt:
Mal siehst du die Welt auf die eine,
mal auf die andere Weise.
Du erlebst dich selbst – die Stärke deines Ich –
wie etwas, das dich von anderen trennt.
Darum gehst du deinem Ich nicht nach:
Je mehr du es findest, desto stärker
stehst du selbst der Verschmelzung mit anderen im Weg.
Du glaubst: Nur wenn du dich selbst aufgibst,
kannst du alle Trennungen überwinden.
Aber wer ist es dann,
der mit dem anderen verschmilzt?
Darin liegt dein Leid.
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Ulrich Schaffer mit Waltraud Schafer: Im Zeichen Fische. Der Weg des Mitgefühls. Freiburg im Breisgau 2004
Foto: Pixabay